Ein solides E-Mountainbike für 529 Euro klingt zu gut, um wahr zu sein. Doch genau das verspricht Touroll mit seinem U1. Wir haben das Schnäppchen-E-Bike aus China ausgiebig getestet.
Touroll U1: Erster Eindruck und Unboxing
Direkt positiv überrascht: Das Touroll U1 macht auf den ersten Blick einen ordentlichen Eindruck und wirkt keineswegs wie ein Billig-Produkt. Das E-Bike und seine Komponenten wirken durchaus hochwertiger, als es der Preis vermuten lässt.
Im Karton finden wir neben dem teilmontierten Fahrrad auch das nötige Werkzeug für den Zusammenbau. Die Montage selbst ist relativ einfach und in etwa 30 Minuten erledigt. Vorbau, Lenker, Vorderrad, Pedale, Leuchten und Sattel müssen angebracht werden. Schutzbleche fehlen und werden auch nicht im Shop von Touroll angeboten. Universalschutzbleche für breite Reifen findest du jedoch in verschiedenen Varianten bei Amazon, wie zum Beispiel das Mudrocker-Set von SKS Germany.
Die beiliegende Anleitung ist ausführlich und ausreichend verständlich, auch wenn sie automatisch ins Deutsche übersetzt ist. Erfreulicherweise hat der Online-Shop Geekbuying ein eigenes Montagevideo speziell für das U1 veröffentlicht.
Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich dann aber doch ein paar kleinere Schwächen in der Verarbeitung. So sind manche Schweißnähte am Rahmen nicht perfekt ausgeführt. Das sind Kleinigkeiten, die man dem U1 angesichts des Preises verzeihen kann. Die Kabelführung ist dagegen vorbildlich gelöst.
Nach dem Zusammenbau ist klar: Der sehr prominente Akku wirkt am Unterrohr ziemlich aufgesetzt und lässt das Rad schon von weitem als E-Bike erkennen. Echte Eleganz strahlt das U1 nicht aus, möglicherweise aber ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis – was sich im Test noch zeigen könnte.
Touroll U1: Ausstattung und Technik
Das U1 kommt mit 29-Zoll-Rädern, die mit 2,25 Zoll breiten CST-Reifen bestückt sind (eine 26-Zoll-Variante ist ebenfalls erhältlich). Die nicht einstellbare Federgabel vorne bietet 100 mm Federweg – was für leichtes Gelände ausreichen sollte. Hinten ist keine Federung vorhanden, das U1 präsentiert sich also als Hardtail.
Angetrieben wird das E-MTB von einem 250 Watt starken Heckmotor, der ein maximales Drehmoment von 45 Nm liefert. Der herausnehmbare Akku hat eine Kapazität von 468 Wh und soll laut Hersteller für eine Reichweite von bis zu 65 km gut sein. Ob das stimmt, werden wir später sehen.
Geschaltet wird beim Touroll U1 mit einer 21-Gang Shimano Tourney Schaltung. Auch die mechanischen Scheibenbremsen kommen von Shimano. Alles in allem eine Ausstattung, die man in dieser Preisklasse nicht unbedingt erwarten würde.
Das U1 wiegt in der 29-Zoll-Version 23,5 kg, in der 26-Zoll-Version 21,7 kg. Die Gesamtbelastung sollte 120 kg nicht überschreiten, sagt Touroll. Der Rahmen ist aus Aluminium.
Übrigens: Welcher Heckmotor hier genau verbaut ist, verrät der Hersteller nicht. Es handelt sich um ein No-Name-Produkt, über das weder auf der Website von Touroll noch in der Anleitung weitere Informationen zu finden sind.
Weniger geheimnisvoll, aber doch recht kurios ist die Bedieneinheit am Lenker. Auf ein Display wurde verzichtet, stattdessen gibt es physische Knöpfe. Eigentlich kein Problem, aber das Design wirkt etwas altbacken. Hier lassen sich die drei Unterstützungsstufen wählen, das Licht, die Schiebehilfe und das E-Bike selbst ein- und ausschalten. Eine Geschwindigkeitsanzeige fehlt. Vier LEDs zeigen den Ladezustand des Akkus an, jeweils in 25-Prozent-Schritten.
Anders sieht es beim Akku selbst aus. Hier sind zwar auch vier LEDs zu finden, aber die Abstufung ist anders. Dazu ein kleines Beispiel: Zwei Lichter bedeuten irgendeinen Akkustand zwischen 11 und 55 Prozent und lässt damit viel Platz für Interpretation.
Eine App für das U1 gibt es nicht, auch auf andere smarte Funktionen wie eine GPS-Ortung wurde gänzlich verzichtet. Eine Aufzeichnung der gefahrenen Kilometer oder Daten zum Akkuverbrauch sind ebenfalls nicht verfügbar.
Los geht’s: So fährt das Touroll U1
Wir testen das E-Mountainbike zwischen Freiburg im Breisgau und dem Kaiserstuhl, einer hügeligen Weinregion in Baden-Württemberg mit vielen schönen Radwegen.
Ich beginne mit einer gemütlichen ersten Runde durch den Wald. Schon nach wenigen Metern wird klar: Das Touroll U1 fährt sich richtig gut. Die 29-Zoll-Räder rollen souverän über kleine Hindernisse und vermitteln ein sicheres Fahrgefühl. Die Federung arbeitet effizient und schluckt Bodenunebenheiten mühelos, so dass ich auch auf holprigen Wegen komfortabel unterwegs bin.
Die Sitzposition ist für ein MTB relativ aufrecht, ohne zu sehr in Richtung Citybike zu gehen. Anders als Touroll sagt, sollte man allerdings über 1,60 m groß sein. Erst ab 1,65 m oder noch besser 1,70 m dürfte es auf der hier getesteten 29-Zoll-Variante bequemer und sicherer werden. Die Sattelhöhe lässt sich von 93 bis 106 cm verstellen, der Lenker gar nicht.
Der 250-Watt-Motor unterstützt sanft, aber spürbar. In der höchsten der drei Unterstützungsstufen beschleunigt das U1 zügig auf die gesetzlich erlaubten 25 km/h. Dabei arbeitet der Motor recht leise, man hört eigentlich nur das Abrollgeräusch der Reifen. An sehr steilen Anstiegen merkt man allerdings, dass das Drehmoment von 45 Nm manchmal an seine Grenzen stößt. Hier muss man in den leichten Gängen richtig in die Pedale treten.
U1: E-MTB-Motor reagiert schnell
Positiv fällt auf, wie schnell der Motor reagiert. Aus dem Stand reicht eine halbe Pedalumdrehung, um mit Rückenwind vorwärts zu kommen. Die erste der Unterstützungsstufen ist allerdings kaum der Rede wert und dürfte bei geübten Fahrern gar nicht erst zum Einsatz kommen. Einen Drehmomentsensor hat das U1 nicht. Wie viel Kraft beim Treten aufgewendet wird, weiß das E-Bike also nicht und unterstützt relativ einfach mit einem Tretsensor. Der aktiviert den Motor, sobald die Pedale bewegt werden.
Wie bei anderen günstigen E-Bikes aus China richtet sich die Motorunterstützung auch nach der Geschwindigkeit. Das heißt: Stufe 1 greift bis 12 km/h, Stufe 2 bis 18 km/h und Stufe 3 bis 25 km/h. In der Praxis bedeutet das, dass man bei höheren Geschwindigkeiten hochschalten muss, um überhaupt in den Genuss der Motorunterstützung zu kommen. Sonst hat man das Gefühl, etwas ausgebremst zu werden.
Beim Wechsel der Stufen fällt mir zudem ein nerviger Mangel auf: Zwar ist das Hochschalten des Motors kein Problem, das Runterschalten aber sehr wohl. Die Stufen können nämlich nur in eine Richtung gewählt werden. Will ich von Stufe 3 auf 2 schalten, muss ich den Umweg über die Null und die Eins nehmen – der Motor geht also kurz aus. Da macht sich der extrem niedrige Preis doch etwas bemerkbar.
Touroll U1: Schaltung und Bremsen
Logischer und angenehmer geht es in einem anderen Bereich zu: Die 21-Gang-Schaltung von Shimano (vorne 3 Kettenblätter, hinten 7 Ritzel) arbeitet präzise und erlaubt eine gute Abstufung für unterschiedliche Geländeprofile. Hier gibt es nichts zu bemängeln. Die mechanischen Scheibenbremsen packen zwar ordentlich zu, erreichen aber nicht die Bremsleistung hydraulischer Systeme.
Auf leichten Trails macht das Touroll U1 durchaus Spaß. Die Federgabel schluckt kleine Unebenheiten gut weg. Bei härteren Einsätzen stößt sie jedoch an ihre Grenzen. Für echtes Mountainbiken in anspruchsvollem Gelände ist das U1 nicht ausgelegt – aber das kann man bei dem Preis auch nicht erwarten. Der „Cozy Foam“-Sattel passt nicht ganz in die Bike-Kategorie, ist aber bequemer als so mancher herkömmliche MTB-Sattel.
Kurz zur Beleuchtung: An der Bedieneinheit lässt sich nur der durchaus starke Scheinwerfer ein- und ausschalten. Das Rücklicht muss separat aktiviert werden und wird nicht vom Akku gespeist. Zwei Einwegbatterien liegen bei.
Das U1 hat eine kräftige Schiebehilfe. Beim ersten Versuch ist mir das E-Bike fast aus den Händen gerutscht, da die starke und direkte Unterstützung doch etwas überrascht. Um eine Anfahrhilfe handelt es sich aber trotzdem nicht, was bei dem schnell einsetzenden Antrieb aber ohnehin nicht nötig ist.
Touroll U1 im Test: Reicht die Reichweite?
Der Akku des Touroll U1 hält voll aufgeladen etwa 40 bis 50 km. Meine Teststrecke bestand dabei aus Asphalt, Schotter und Waldwegen mit einigen anspruchsvollen Steigungen. Bei gemischter Nutzung der Unterstützungsstufen kam ich zwischen den Weinreben des Kaiserstuhls auf eine Reichweite von rund 45 km. Das ist zwar weniger als die vom Hersteller optimistisch angegebenen 65 km, aber für ein E-Bike dieser Preisklasse und dem eher anspruchsvollen Gelände durchaus respektabel.
Wie immer hängt die Reichweite von verschiedenen Faktoren ab. Je nach Fahrweise, Wetter, Topographie, Gewicht des Fahrers und weiterer Zuladung können mehr oder weniger Kilometer erreicht werden. Ohne viele Steigungen sind sicher 50 km drin.
Ein leerer Akku braucht laut Hersteller in „vier bis sechs Stunden“, bis er wieder bei 100 Prozent ist. An meiner Powerstation zieht das Ladegerät im Schnitt 80 Watt, für die letzten Prozente geht es auf etwa 30 Watt runter. In unserem Test ist die Batterie nach etwas mehr als sechs Stunden wieder voll aufgeladen.
Um die Reichweite zu verdoppeln, bietet Touroll in seinem Online-Shop einen Ersatzakku an. Dieser passt in die 29- und 26-Zoll-Variante des U1-E-Bikes, nicht aber in andere Modelle des Herstellers. Der Preis ist ein echter Knüller: Nur 150 Euro verlangt der Hersteller für den zweiten Akku – günstiger geht es kaum.
Fazit: Lohnt sich das Touroll U1?
Ja, mit Abstrichen. Für gerade einmal 529 Euro mit dem Rabattcode ‚NNNIDAJIOHF‘ bekommt man bei Geekbuying ein gut ausgestattetes E-Mountainbike, das in vielen Bereichen deutlich über das hinausgeht, was man in dieser Preisklasse erwarten würde.
Ist es das perfekte E-MTB? Nein. Für sehr anspruchsvolles Gelände oder sportliches Mountainbiken ist das U1 nicht die richtige Wahl. Wer smarte Funktionen und Apps sucht, wird mit dem U1 ebenfalls nicht glücklich.
Aber darum geht es hier auch nicht. Das Touroll U1 richtet sich an Einsteiger und Gelegenheitsfahrer, die ein günstiges E-Bike für leichte Touren auf Wald- und Feldwegen suchen. Dafür eignet es sich ebenso wie für den Weg zur Arbeit, gemütliche Ausflüge am Wochenende oder als Zweit-E-Bike für die Familie.
Das Touroll U1 ist ein echter Preis-Leistungs-Kracher. Wer ein zuverlässiges MTB mit elektrischer Unterstützung sucht und dafür nicht allzu viel Geld ausgeben möchte, macht mit dem Touroll U1 definitiv nichts falsch. Es bietet ein ausgewogenes Gesamtpaket zu einem Preis, bei dem die Konkurrenz nicht mithalten kann.