Ob es eine der größten Demos war, die bisher mit dem Fahrrad ausgetragen wurden, steht außer Frage. Denn der ADFC Frankfurt berichtet von unglaublichen 10.000 Radfahrerinnen und Radfahrern, die am 28.08.2022 Straßen und Autobahnen lahmlegten. Zeitweilig ging man sogar von 12.000 Demonstrierenden aus. Die Sternfahrt der Initiative Verkehrswende Hessen zeigte eindrucksvoll, dass es auch in unserer modernen Zeit ein Aufeinandertreffen von David und Goliath gibt, bei dem Goliath tatsächlich den Kürzeren zieht. Was war passiert?
Große Aufregung im Vorfeld der Aktion
Als bekannt wurde, auf welche Art und Weise das Volksbegehren durchgeführt werden sollte, schaltete sich die dem Bundesverkehrsministerium unterstellte Autobahn GmbH ein. Sie reichte noch am Freitag einen Eilantrag ein, um die symbolträchtige Aktion zur Umsetzung der angestrebten Verkehrswende und deren Verankerung im Gesetz rechtzeitig zu stoppen. Man argumentierte mit erheblichen Verkehrsbehinderungen bis hin zur Vollsperrung auf den Autobahnen A66 und A648 zwischen Frankfurt und Wiesbaden. Der Antrag wurde allerdings kurzerhand abgewiesen. Und auch der Verwaltungsgerichtshof Hessen lehnte die anschließende Beschwerde ab.
Auf dem Online-Portal der Hessenschau berichtete man im Vorfeld darüber, dass die Vollsperrungen in Richtung Wiesbaden zwischen 12:30 Uhr und circa 16:30 Uhr andauern würden. Einerseits erlaubte dann die Stadt Wiesbaden die Nutzung der Autobahnen, untersagte andererseits die ursprünglich geplante Pause an der Raststätte Weilbach (A66) wegen eventuell aufkommenden Gedränges.
Hessen-Sternfahrt für das Gesetz zur Verkehrswende
Ziel dieses Volksbegehrens ist es, eine Verkehrswende herbeizuführen, um die Mobilität in Hessen sozial gerecht und klimaneutral zu gestalten. Dazu ist es erforderlich, nicht nur Fuß- und Radwege neu und besser zu gestalten, sondern auch Bus- und Bahnverbindungen zu optimieren. Um allerdings ein solches Gesetz in Kraft zu bringen, benötigt es laut Auskunft der Initiative gemäß Landeswahlgesetz 43.728 Unterschriften. Doch nicht nur diese, sondern gleich mehr als 70.000 Unterschriften wurden am Wochenende mit Fahrrädern, E-Bikes und Lastenrädern auf den buchstäblichen Weg gebracht. Darmstadt, Hanau und Friedberg waren die wichtigsten Startpunkte für die Sternfahrt, deren Zentrum der Sammelpunkt Frankfurt-Messe bildete.
Von hier aus fuhren die für die Verkehrswende Demonstrierenden über die Autobahnen A66 und A648 Richtung Wiesbaden. Von der Ausfahrt Erbenheim ging es dann in die hessische Landeshauptstadt, wo man dem Verkehrsminister Tarek Al-Wazir 70.232 Unterschriften überreichte.
Wie im Artikel der Giessener Allgemeinen zu lesen ist, war Al-Wazir sehr beeindruckt – sowohl von der Initiative Verkehrswende selbst als auch vom Engagement der Menschen, die sich ihr angeschlossen haben. Er meinte: „Für mich steht fest: Wir werden uns sehr ernsthaft mit den Inhalten des Gesetzes beschäftigen, uns mit den Initiatorinnen und Initiatoren treffen und über konkrete Schritte zur Umsetzung der Verkehrswende und deren Verankerung austauschen, und zwar unabhängig von der Verfassungskonformität des Gesetzentwurfes der Initiative.“
Die Weichen sind gestellt
Nach dieser eindrucksvollen Aktion, über die sogar die BBC berichtete, geht es nun darum, die geforderten Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit, bessere Mobilität, eine höhere Lebensqualität und den Schutz des Klimas zu realisieren. Dazu zählen:
- der Ausbau von Gehwegen und Straßen zur Sicherheit der Fußgänger und insbesondere der Schulkinder,
- mehr und besser ausgebaute Radwege und ein Wegenetz, das sich über ganz Hessen erstreckt,
- hinsichtlich des öffentlichen Nahverkehrs eine höhere Frequenz, angepasste und kürzere Fahrzeiten sowie ein kundenfreundliches Liniennetz,
- die bessere Anbindung ländlicher Regionen durch öffentliche Verkehrsmittel, damit sie auch Autofahrer dazu inspirieren, den Wagen immer wieder einmal stehen zu lassen.
Wenn du dich weiter in das Verkehrswendegesetz, um das es bei dieser eindrucksvollen Aktion ging, einlesen möchtest, gibt es hier den vollständigen Text.
Titelbild: Verkehrswende Hessen/Tim Becker, Frankfurt am Main