Seit 2023 ist der Pinion MGU in aller Munde. Der deutsche Hersteller wagte am E-Bike, was zuvor nur an Autos oder Motorrädern bekannt war: Eine Einheit aus Getriebe und Motor, die Motor-Gearbox-Unit, kurz „MGU“. Mittlerweile hat sich das System bei vielen Herstellern etabliert. Damit geht Pinion derzeit einen Sonderweg bei der Entwicklung von Antriebssystemen für E-Bikes.
Von der Getriebeschaltung zum einzigartigen E-Bike-Motor
Der deutsche Getriebe- und Motorenhersteller Pinion lieferte seit Anfang der 2010er Jahre alternative Schaltsysteme für Radfahrer: Anstelle der Ketten- oder Nabenschaltung orientierte sich Pinion an einem Schaltgetriebe, ähnlich wie bei einem Auto. Kein Wunder, kam doch die Idee für die Fahrrad-Getriebeschaltung aus dem Entwicklungszentrum von Porsche in Weissach.
Vor allem einige E-Bikes mit Heckantrieb und Fahrräder setzten auf die außergewöhnliche Schaltung, die vor Wind und Wetter geschützt war. Doch es war zu erwarten, dass die Entwickler die Vollendung der Integration der Automobiltechnik im E-Bike angehen würden.
Tatsächlich war es dann 2023 so weit: Pinion stellte seine neue Antriebseinheit Pinion MGU vor. Ein Mittelmotor mit integriertem Getriebe. Die Technik erlaubt es E-Bike-Herstellern, die anfälligen Komponenten für die Schaltung im Motorgehäuse zu belassen, wo sie vor Wind und Wetter geschützt sind und von starken Schlägen verschont bleiben.
E-Bikes mit Pinion MGU Antrieb
„Pinion bringt zusammen, was zusammen gehört“, ließ Pinion wissen. Hätte es zuvor keine Fahrräder mit Kettenschaltung gegeben, so das Gedankenspiel der Hersteller, wäre die Motor- und Getriebeeinheit die natürlichste Lösung für einen E-Bike-Antrieb. Dennoch gibt es bis dato nur sehr wenige Nachahmer, die mit ähnlichen Sytemen experimentieren. Mit seiner Software-Erweiterung „Auto.Shift“ setzt Pinion seit 2024 sogar auf automatische Gangwahl.
Zu den E-Bike-Marken, die den Pinion MGU aktuell verbauen, gehören unter anderem Bulls, Flyer, Rotwild, Simplon und Tout Terrain oder Nicolai, also stattliche E-MTB-Marken. Doch auch ganz gewöhnliche Alltags-E-Bikes von Herstellern wie Pegasus, i:SY, Zemo oder Kettler werden mittlerweile mit dem System ausgestattet.
Pinion MGU: Motor-Einheit mit 9 oder 12 Gängen
Der Pinion-Motor MGU kommt in zwei Versionen auf den Markt. Der E1.9 hat 9 Gänge und sein Getriebe bietet eine Gesamtübersetzung von 568 Prozent. Insgesamt wiegt die Einheit etwa 4 Kilogramm. Mit 12 Gängen erlaubt der 100 Gramm schwerere E1.12 eine Übersetzung von insgesamt 600 Prozent mit feineren Abstufungen. Beide Motoren liefern ein Drehmoment von 85 Newtonmetern und eine Höchstleistung von 600 Watt mit kurzzeitigen 800 Watt Leistungsspitzen.
Einen Extraboost gibt es per Knopfdruck und die Unterstützungsstufen sind so übersichtlich wie möglich gehalten: Eco geht möglichst sparsam mit der Power im Akku um, während Fly das Maximum bietet. Die Stufen Flow und Flex hingegen kalkulieren die aktuellen Umstände mit ein und agieren progressiv – in unterschiedlicher Intensität.
Durch die Motor-Getriebe-Einheit sollst du 10.000 Kilometer wartungsfrei fahren und auch der Aufwand nach diesem Grenzwert ist überschaubar: Ein kleiner Ölwechsel und die Schaltung soll weiter reibungslos laufen.
Akkus für Pinion MGU
Pinion setzt für die Steuerung und Versorgung seines Motors auf Drittanbieter. Aus dem Hause FIT gibt es für die Pinion MGU diverse Akku-Einheiten. Die Ultracore Akkus gibt es mit 960, 720, oder 480 Wattstunden, weitere Varianten von Unterrohrakkus liefern 700 oder 800 Wattstunden. Auch einen Range Extender mit 535 Wattstunden gibt es im Portfolio des Herstellers.
Bedieneinheiten für Pinion MGU
Pinion bietet E-Bike-Herstellern und -Fahrern über das FIT-System drei Displays und einen Taster zur Bedienung an. Außerdem benötigt das System für die manuelle Gangwahl eine Schaltansteuerung.
FIT Display Comfort
Das Fit Display Comfort ist eine 3,5-Zoll Anzeige im Querformat. Während der Fahrt zeigt es die Streckendaten an, gibt Rückschluss auf Akkustand und Reichweite sowie die gewählte Unterstützungsstufe und den Gang. Über Bluetooth lässt sich das Display auch mit dem Smartphone oder anderen Geräten verbinden und erlaubt damit die Anzeige von Navigationsdaten oder die Herzfrequenzmessung.
FIT Display Compact
Etwas cleaner wirkt das Fit Display Compact. Auf nur 2 Zoll im Hochformat werden dieselben Einblicke ermöglicht, wie bei dem größeren Display. Uhrzeit, Reichweite, Akkustand, zurückgelegte Kilometer, Geschwindigkeit und die Steuerung der Beleuchtung findest du hier kompakt, aber dennoch übersichtlich aufgelistet.
FIT Remote Basic
Um die beiden Displays des FIT-Systems anzusteuern, gibt es einen entsprechenden Taster, den du am Lenker befestigst. Die FIT Remote Basic erlaubt mit seinen Tasten die Steuerung aller Funktionen sowie die Aktivierung der Schiebehilfe oder des „Boosts“ während der Fahrt. Die Taster sind durch LED-Einsatz immer erkennbar und liefern bei Gebrauch Feedback durch Vibration
FIT Remote Display
Das FIT System stellt ebenfalls eine Kombination aus Display und Remote bereit. Die FIT Remote Display liefert alle bekannten Fahrtdaten gleich neben der eigentlichen Bedieneinheit. So bleibt das Cockpit Clean und du hast dennoch Einsicht in alle Infos auf einem 1,3-Zoll-Display.
Pinion TE1 Trigger
Da die Pinion eben nicht nur ein Motor, sondern auch ein Getriebe ist, benötigt sie eine entsprechende Ansteuerung. Mit dem Pinion TE1 Trigger liefert der Hersteller daher ein simples Bedienelement zum Gangwechsel.
E-Bike-Control App
Wie bei jedem modernen E-Bike-System kommt die Pinion MGU auch mit einer entsprechenden Smartphone-App für Apple-Geräte und Android-Smartphones daher. Über die von FIT entwickelte App lassen sich die Aktivitäten auf dem E-Bike genau tracken oder Routen navigieren. Außerdem hast du auch direkt Einfluss auf die Performance des Systems. Denn über die App lassen sich sowohl die Unterstützungsmodi anpassen, als auch die Einstellungen für die Smart.Shift-Funktionen.
Pinion geht bisher einen eigenen Weg
Mit der Entwicklung einer Motor-Getriebe-Einheit für E-Bikes steht Pinion bisher fast alleine da. Einige wenige Nischen-Hersteller haben sich bisher an vergleichbare Systeme gewagt, doch keiner der großen E-Bike-Entwickler hat bisher nachgezogen. Damit hat Pinion derzeit ein Alleinstellungsmerkmal, das sich allmählich vor allem dort beliebt macht, wo ein geschütztes Getriebe seine Vorteile ausspielt.
Einige Hersteller robuster E-MTBs setzen beispielsweise zum Teil auf das ungewöhnliche Antriebssystem. Hier kommt ein weiterer Vorteil des Systems zur Geltung: Man braucht keine Angst haben, dass einem die Kette beim Schalten unter Last um die Ohren fliegt. Sogar E-MTBs mit Riemenantrieb sind damit möglich. Aber auch an E-Trekkingbikes oder sogar Urban-E-Bikes findet sich das System mittlerweile wieder.
Ob sich die Technik durchsetzt und es gegebenenfalls sogar Nachahmer geben wird, werden weitere Entwicklungsschritte zeigen. Bisherige Erfahrungsberichte zeigen, dass gerade E-MTB-Enthusiasten neugierig auf das System sind, jedoch noch einiges an Verbesserungspotenzial da ist. Gerade bei der Gewichtsreduzierung, der Geräuschentwicklung und dem Energieverbrauch ist noch etwas Luft nach oben. Für ein System, das erst seit wenigen Jahren auf dem Markt ist, fällt das Feedback insgesamt jedoch sehr positiv aus.