Die eBikeNEWS berichten über die Tour? Das größte, nicht-elektrische Radrennen der Welt? Ja, denn es kommen immer wieder Gerüchte auf, der ein oder andere herausragend schnelle Fahrer habe nicht sich, sondern sein Rad gedopt.
Wie soll das unbemerkt vonstatten gehen? Natürlich, der Trend im Pedelec und E-Bike Bereich geht generell in Richtung „versteckter Antrieb“. Man soll die Existenz eines Motors im Rad nicht länger auf den ersten Blick erkennen können. Auch im Breitensport und im alltäglichen Zweirad-Verkehr wird der Akku in den Rahmen integriert, der Motor auf Tretlagergröße geschrumpft oder in der Hinterradnabe versteckt, das Display wie ein Smartphone gestaltet.
Im Profisport allerdings geht es nicht um ästhetische Ansprüche oder spaßbringende Tretunterstützung. Hier steht Siegen an erster Stelle. Eine Etappe zu gewinnen, wichtige Passagen für sich zu entscheiden. Zum Erreichen dieses von allen gewollten aber nur von einem erreichbaren Ziel ist die Verwendung jeglicher Hilfsmittel verboten. Der Wettbewerb soll unter Gleichen statt finden, die ihre Kräfte ehrlich aneinander messen.
Die Regeln der Tour
Das Reglement der Tour enthält einen langen Paragraphen zu Bildrechten und erinnert die Teams daran, dass die Tour ‚sauber‘ im Sinne der Regularien der französischen Anti-Doping Organisation zu bleiben. Über Art oder technische Ausstattung der Rennräder ist wenig vorgegeben. Der Artikel 3 der offiziellen Regeln sagt über „Zugelassene Fahrradtypen“ lediglich:
„Only standard bicycles are allowed on straight stages. The use of specialised bicycles is allowed for time trial stages, as long as they comply with the provisions of articles 1.3 001 to 1.3 025 of the general rules of the UCI.“
Die Regeln des UCI
Die entsprechenden Passagen im Regelbuch des Weltfahrradverbandes UCI schreiben vor, wie die Abmessungen von Rahmen, Reifen und Federgabeln zu sein haben. Und sie erinnern daran, dass alle sogenannten technischen Innovationen mit einem Vorlauf von sechs Monaten vom Union Cycliste International (UCI) geprüft und zugelassen werden müssen, außer sie entsprechen den etablierten Spezifikationen. Wird dem nicht nachgekommen, und eine „technische Innovation“ vor oder während der Tour entdeckt, hat der Fahrer mit der Disqualifikation zu rechnen.
Die UCI formuliert den Ausschlussgrund ganz allgemein in der Präambel zu den Prinzipien 1 -Räder- und 2 -Technische Spezifikationen-
„Fahrräder sollen dem Geist und Prinzip von Radfahren als Sport entsprechen. Dieser Geist geht davon aus, dass an Wettbewerben teilnehmende Radfahrer/innen dies mit den gleichen Grundvoraussetzungen tun. Das Prinzip stellt den Vorrang von Mensch vor Maschine fest.“
Genauer formuliert es dann das Regelbuch der Tour de France unter dem Punkt Antrieb. Hier heißt es klar und knapp:
„Das Fahrrad soll allein durch die Beine, vermittelt durch ein Kettensystem, angetrieben werden, ohne elektrische oder sonstige Unterstützung.“
Doping – mechanisch, elektrisch, mental
Dass einige Fahrer durchaus „sonstige Unterstützung“ in Form von Eigenbluttherapien, oder durch die Einnahme chemischer Substanzen in Anspruch genommen haben, konnte man in spektakulären wie langwierigen Prozessen nachweisen. Auch für die elektrische Unterstützung hängt die Beweisführung der Realität zur Zeit möglicherweise -noch- hinterher.
Denn auf den ersten Blick sichtbar muss eine elektrische Tretunterstützung nicht sein. Wir reden hier nicht von einem ausgereiften Mittelmotor, der selbst mehrere Kilo wiegt und groß wie ein Kopf am Gestänge hängt. Die für Tourfahrer/innen in Frage kommenden Antriebe sind vergleichsweise winzig.
Vivax Assist
Da gibt es beispielsweise den Vivax Assist Motor, auch noch bekannt als Gruber Assist. Dieser Ultraleicht-Antrieb ist ein zylindrisches Motorgetriebe, das in das Sattelrohr geschoben wird. Ganz unten hat es ein Kegelzahnrad, das auf Kettenblatt und die umgerüstete Achse der Kurbelwelle der Pedale wirkt. Der Motor hat eine ebenso ausgefeilte wie rudimentäre Funktionsweise. Er lässt sich über ein kleines Bedienteil am Lenker – leicht unter dem Griffband zu verstecken – an- und ausstellen. Die fortgeschrittenere Variante lässt sich mittels dreimaligem Knopfdruck sogar auf eine bestimmte Zahl an Umdrehungen pro Minute einstellen.
Der Vivax Assist Antrieb kann bis zu 100-200 Watt zusätzlich auf die Pedale drücken. Für eine Kletteretappe macht das schon einen entscheidenden Unterschied. Das vollständige Gewicht wird mit 1,8 kg angegeben. Dies gilt für den regulär kaufbaren Antrieb. Findige Fahrradingenieur/innen können das System noch verkleinern und anpassen. Statt des mitgelieferten Bedienteils könnte auch der Shimano Di2 Satellit mit seinem kleinen Schaltsatellit eingesetzt werden.
Der Akku ist wo?
Wo und wie ein ausreichend großer Akku im Rad versteckt wird, ist eine größere, noch offenen Frage. Beim Viva Assist sitzt der 9 Ah Akku in einer gewöhnlichen Satteltasche. Auch sogenannte Trinkflaschen-Akkus fallen im Vorbeifahren nicht auf, lassen sich allerdings vom geübten Auge als Zwitterwesen ausmachen. Doch es gibt Möglichkeiten. Die Unterbringung der Akkus im Unterrohr oder das Anzapfen der im Rad schon vorhandenen elektrischen Speicher stellen Alternativen dar.
Wer die unsichtbaren Kräfte des Vivax selbst ausprobieren möchte, kann an einer der geführten EMTB-Touren teilnehmen, die Vivax in den Bergen von Wörgl in der Nähe von Innsbruck anbietet.
UCI Kontrolle
Die UCI kontrolliert die Vorgaben zum nicht-elektrisch-unterstützen Fahren durch eine gelegentliche Inspektion der Wettkampfräder. Diese müssen alle vor dem Tourstart angemeldet werden. Während des Wettkampfs kommen die Kontrolleure in den Team Hotels vorbei um das eine oder andere Rad genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei 20-50 Bikes pro teilnehmender Equipe keine leichte Aufgabe. Unterstützt werden sie seit neuestem von einem speziellen Röntgenapparat, der die Räder auf verborgene Einbauten scant. Bis jetzt blieben alle aufgenommenen Bilder ohne Auffälligkeiten.
Auch beim letztjährigen Giro d’Italia kontrollierte die UCI ein paar Bikes, unter anderem das von Alberto Contador, dessen sagenumwobene Antritte bei einigen für Grübeleien sorgten. Gefunden wurde auch hier nichts. Dennoch bemühen sich nicht wenige Menschen den YouTube-Beweis zu erbringen. Hier ein italienisches Video, das den Einbau des Vivax Antriebes erklärt und ein paar ungewöhnliche Szenen von Fabian Cancellara aus den langen Tour-TV-Übertragungen herauspickt.
So wie diese von Hesjedal am 29. August 2014 auf der großen Spanien Tour La Vuelta. Nach einem Sturz dreht sich das Hinterrad seines Cervelo Bikes unlogisch schnell weiter, es sieht aus wie angetrieben. Allerdings dreht es sich rückwärts und auch die Pedale werden nicht mitbewegt. Der UCI untersuchte das entsprechende Rad am nächsten Morgen und stellte keine Manipulation fest. Das Team von Hesjedal gab den rutschigen Straßenbelag als Erklärung an.
https://youtu.be/hIlmtQKLMUg
Bis heute konnte keinem Fahrer auf der Tour de France mechanisches Doping nachgewiesen werden. Aber wer weiß, ob die Technik – wie beim chemischen Doping – ihrer Überwachung einfach immer einen Schritt voraus ist.
Den Sieger entscheidet die Zeit. Für dieses Jahr am Sonntag, 26. Juli 2015 auf der von vielen Augen und Kameras beobachteten Abschlussetappe auf dem Pariser Champs Élysées.