Konsumkrise und trotzdem E-Bikes kaufen? Derzeit scheint es ganz danach auszusehen, als ob die Fahrradbranche mit einem blauen Auge davon kommt. Anfang des Jahres meldeten viele Händler volle Lager – und zu wenige Abnehmer. Hin und wieder hieß es, die Modellsaison 2024 würde platzen – oder nur in stark reduzierter Form in die Fahrradläden einrollen. Immer noch verkaufen Händler ihre hochwertigen Vorjahresmodelle teilweise zum Schleuderpreis.
Doch wer sich die tatsächlichen Zahlen der Branche anschaut, merkt, dass man sich zwar nicht auf den Lorbeeren der Corona-Jahre ausruhen kann, der Trend zum Rad – und vor allem zum E-Bike – jedoch auch weiterhin nicht aufzuhalten ist.
2023 war insgesamt ein stabiles Jahr
Vor allem, was die Umsätze der Fahrradbranche angeht, zeigt der Markt weiter eine hohe Nachfrage. Mit 7,06 Milliarden Euro betrug der Umsatz 2023 etwa 0,3 Milliarden Euro weniger als im Rekordjahr 2022, jedoch immer noch eine halbe Milliarde mehr als 2021. Mit Blick auf das Vor-Corona-Jahr 2019 mit nur 4 Milliarden Euro Umsatz gibt es also nur wenig Grund zur Panik.
Auch Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad Industrie Verbandes ZIV, sieht die Zahlen positiv: „Wir freuen uns sehr, dass Fahrräder und E-Bikes weiterhin von den Verbraucher:innen für die tägliche Mobilität und in der Freizeit hoch im Kurs stehen.“ Außerdem sieht er die deutsche Zweirad-Industrie als weltweit konkurrenzfähig. „‚Engineered in Germany‘ und ‚Made in Europe‘ sind bei E-Bikes die Garanten für Ingenieurskunst, Design, Qualität, Nachhaltigkeit und Werterhalt“, sagt Stork.
Erstmals mehr E-Bikes als Fahrräder verkauft
Insgesamt sind laut Schätzungen der ZIV aktuell 84 Millionen Fahrräder auf den deutschen Straßen unterwegs – davon etwa 11 Millionen E-Bikes. 2023 wurden mit 53 Prozent des Verkaufsanteils erstmals mehr E-Bikes als Fahrräder verkauft. Dass die Nachfrage dennoch nicht einbricht, erklärt sich der ZIV damit, dass viele Kunden sich mittlerweile sogar Zweiträder anschaffen – etwa für die Freizeit oder in Form von E-Lastenrädern für den städtischen Transport.
Apropos Lastenräder: Waren diese in den letzten Jahren immer noch eine Nische, beeinflussen sie zunehmend die Umsätze. Im Jahr 2023 haben Käufer für ein E-Bike durchschnittlich 2.950 Euro ausgegeben. 2022 waren es noch 2.800 Euro. Der ZIV erklärt dies teilweise damit, dass E-Lastenräder, die in der Regel im deutlich höherpreisigen Segment liegen, immer beliebter werden.
Für die Zukunft keinen Grund zur Panik
Angesichts des stark rückläufigen Konsumklimas kann man die Fahrradbranche derzeit sogar als Ausreißer bezeichnen, findet Burkhard Stork. „Insgesamt zeigen die Markdaten sehr deutlich, dass die Menschen in Deutschland dem Radfahren im Alltag und in der Freizeit und den dazugehörigen hochwertigen Produkten einen großen Stellenwert zumessen.“
Hinzu kommt die Nachfrage nach Qualität und innovativer Technik. So wurden 2023 77 Prozent der Fahrradverkäufe im Fachhandel getätigt, während Discounter, Baumärkte und SB-Warenhäuser nur mit einem Prozent beteiligt waren.
Auch das Fahrradleasing treibt den Markt weiter an. Eine Sättigung des Marktes erwartet der ZIV dementsprechend nicht so schnell. Allerdings sieht Stork auch weiterhin die Politik gefragt, für die Rahmenbedingungen einer treibenden Branche zu sorgen: „Die steigenden Kosten für Mobilität, Energie, Mieten und Lebenshaltung sowie ein zunehmendes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein sind Rahmenbedingungen, die die Beliebtheit von Fahrrädern und E-Bikes aktuell und sicher auch in Zukunft steigern werden. Die Politik darf das Fahrrad nicht vergessen und muss das Potenzial des Fahrrads endlich vollwertig anerkennen“