Warum noch per Kabel bremsen, wenn es auch ohne geht? Das haben sich Informatiker an der Universität des Saarlandes überlegt und eine drahtlose Fahrradbremse entwickelt. Für einen Funktionstest wurde sie in ein Cruiser Bike eingebaut. Die Zuverlässigkeit des Bremssystems bewiesen die Wissenschaftler zusätzlich mit mathematischen Methoden, die auch bei Steuersystemen von Flugzeugen oder chemischen Fabriken zum Einsatz kommen. Für Elektrofahrräder wäre die Bremse prädestiniert, denn ein Akku ist schon vorhanden. Auch die Automatikschaltungen NuVinci Harmony und TranzX AGT wurden erst möglich durch den Strom an Board von E-Bikes.
Die drahtlose Fahrradbremse bedeutet für die Forscher laut Presseinformation mehr als nur eine akademische Spielerei – es geht um Verlässlichkeit. Der Grund dafür ist, dass drahtlose Netze nie hundertprozentig funktionieren, allerdings immer mehr Systeme ohne Kabel realisiert werden, die reibungslos arbeiten müssen. Anwendungsbeispiele dafür seien Züge oder Flugzeuge. Daher kam Professor Holger Hermanns, der an der Saar-Uni den Lehrstuhl für „Verlässliche Systeme und Software“ leitet, und sein Team auf die Idee mit der drahtlosen Fahrradbremse. „Die drahtlose Fahrradbremse bietet uns die notwendige Spielwiese, um diese Methoden für den Einsatz in weitaus komplexeren Systemen zu optimieren“, so Hermanns.
Mit dem Brems-Prototyp nutze die Forschergruppe zugleich Rechenverfahren, das sonst bei Steuersystemen von Flugzeugen oder chemischen Fabriken zum Einsatz kommen. Das Ergebnis: 99,999999999997 Prozent zuverlässig soll das System sein. Hermans weiter: „Das bedeutet, dass drei aus einer Billiarde Bremsversuchen fehlschlagen. Das ist nicht perfekt, aber dennoch akzeptabel.“
Funktionsweise
Wie funktioniert aber das Bremssystem genau? Gerade in Bezug auf Elektrofahrräder könnte es sinnvoll sein, um Kabelsalat zu vermeiden. Der Fahrer umgreift den rechten Gummigriff am Lenker dazu fest. Je höher die Kraft ist, desto stärker bremst das System die Scheibenbremse im Vorderrad. Im Gummigriff ist ein Drucksensor integriert, der ab einem bestimmten Druck einen kleinen Sender aktiviert. Dieser sitzt in einem blauen Kunststoffkästchen von der Größe einer Zigarettenschachtel, das ebenfalls an der Lenkstange befestigt ist. Seine Funksignale gehen unter anderem an einen Empfänger am Ende der Radgabel. Dieser wiederum gibt das Signal an einen „Aktuator“ weiter, der es in eine mechanische Bewegung umsetzt, die letztendlich die Scheibenbremse greifen lässt. Für eine höhere Ausfallssicherheit befinden sich in den Speichen des Hinterrades und an der Gabel des Vorderrades jeweils ein weiterer Sender. Sie fungieren als sogenannte Replikatoren, indem sie das Senden des Bremssignals wiederholen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Funknachricht auch dann noch rechtzeitig ankommt, wenn die anderen Funkverbindungen zu langsam sind oder gar ganz ausfallen. Mit der aktuellen Ausstattung bremst das Cruiser Bike nach maximal 250 Millisekunden. Bei einer Geschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde entspricht das einem Reaktionsweg von zwei Metern.
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Zukunft
Nach ersten Gesprächen mit namhaften Herstellern sucht Hermanns ein Ingenieursbüro, das die drahtlose Fahrradbremse umsetzt. Ob dieses System je an Pedelecs zum Einsatz kommt, ist fraglich. Die Bremsen müssen schließlich mit Strom versorgt werden. Das kann über kleine Batterien erfolgen oder über den E-Bike-Akku, was wieder Verkabelung bedeutet. Was spricht dagegen, zukünftig die Motorbremse zuzulassen? Bei Bionx-Nabenmotoren sorgt ein Unterbrecherkontakt an den Bremsen für eine reduzierte Geschwindigkeit. Auch der Segway kommt nur mit Motorbremse aus. Warum sollte das bei einem Elektrofahrrad nicht auch gehen?