Urtopia hat sich in der jüngeren Vergangenheit mit dem Carbon 1 einen Namen gemacht. Der Hersteller ist auf besonders smarte E-Bikes spezialisiert und hat zuletzt mit dem Chord ein weiteres Modell auf den Markt gebracht, das es auch als Chord X mit Trapezrahmen gibt. Dieses Modell habe ich mir für diesen E-Bike-Test genauer angeschaut.
Urtopia Chord X im Überblick
Bevor ich auf meine Erfahrungen mit dem Chord X von Urtopia eingehe, zunächst ein paar allgemeine Dinge zur Ausstattung. Das E-Bike ist mit einem Nabenmotor im Hinterrad ausgestattet, der aus 250 W Leistung 45 Nm Drehmoment herausholt. Das ist für einen Heckantrieb durchschnittlich und für ein Cityrad wie dieses in der Regel ausreichend. Positiv zu erwähnen ist, dass die elektrische Tretunterstützung mit einem Drehmomentsensor gekoppelt ist.
Der Akku sitzt im Unterrohr und ist abnehmbar, kann aber auch am E-Bike geladen werden. Er weist eine Kapazität von 352,8 Wh auf, die laut Hersteller für eine Reichweite von bis zu 120 km ausreichen soll. Dazu weiter unten mehr. Die Ladezeit beträgt etwa drei Stunden.
Zur weiteren Ausstattung des E-Bikes zählen unter anderem eine Shimano RevoShift Schaltung mit acht Gängen, 160 mm hydraulische Scheibenbremsen von Tektro sowie eine Beleuchtung gemäß StVZO. Gefahren wird auf CST Reifen (700 x 42C) mit Reflexstreifen und einem typischen Straßenreifenprofil. Das Chord X ist außerdem mit Schutzblechen ausgestattet.
Der Rahmen aus flüssig geschmiedetem Aluminium, der sich ohne Schweißnähte im glatten Look präsentiert ist in Grau und Weiß erhältlich. Das Design des Chord X ist nicht so modern wie das des Carbon 1 und mag sicherlich Geschmackssache sein, gibt insgesamt aber wenig Grund für Kritik.
Optional lassen sich bei der Bestellung unter anderem ein Gepäckträger, ein Frontrack, ein Flaschenhalter und weiteres Zubehör hinzu konfigurieren, was die UVP von 2.499 Euro weiter in die Höhe treibt. Zumindest einen Gepäckträger hätte ich mir serienmäßig gewünscht, da er das E-Bike stadt- und alltagstauglicher machen würde. So versucht sich das Chord als hipper Commuter zu positionieren, was sich gepaart mit dem stark gebogenen Lenker und der eher aufrechten Sitzhaltung aber irgendwie nicht so richtig harmonisch anfühlt.
Vor dem Pedalieren steht das Schrauben
Geliefert wird das Urtopia Chord X in einem für ein E-Bike erstaunlich kompakten Paket. Das liegt daran, dass es nicht komplett vormontiert ist. Stattdessen muss vor der ersten Tour erst einmal eine Bastelstunde eingelegt werden.
Im Einzelnen müssen das Vorderrad, der Lenker samt dem riesigen Display, das vordere und teilweise das hintere Schutzblech, die Pedale, der Ständer sowie das Rücklicht angeschraubt werden. Das ist durchaus etwas Arbeit und braucht seine Zeit. Die Arbeitsschritte sind aber recht gut in der beiliegenden und in weiten Teilen gut in die deutsche Sprache übersetzten Anleitung beschrieben und bebildert.
Das notwendige Werkzeug liegt in Form von mehreren Sechskantschlüsseln bei. Einzig das vordere Schutzblech ließ sich bei dem Testbike nicht damit montieren, sodass hier eigenes Werkzeug herhalten musste.
Wie fährt sich das Urtopia Chord X E-Bike?
Ist die Arbeit getan, kann es dann endlich auf die Straße gehen. Zusätzlichen Komfort wie eine Federung bietet das Chord X nicht. Den Sattel empfinde ich ebenfalls nicht als sonderlich komfortabel.
Bei meiner Zeit auf dem Chord X hat sich auch die Sitzposition nicht sonderlich positiv ausgewirkt. Der Hersteller gibt an, dass das E-Bike für eine Körpergröße von 160 bis 185 cm geeignet sein soll (Chord 170 bis 195 cm). Mit meinen knapp über 1,8 m Körpergröße liege ich damit zwar am oberen Ende, sollte aber eigentlich noch auf das Fahrrad passen.
Doch auch mit einem möglichst hoch eingestellten Sattel habe ich nicht gut auf dem Chord X gesessen und die Sitzposition war viel zu niedrig. Für kleinere Menschen dürfte es besser passen, spätestens mit 180 cm sollte aber zum Chord gegriffen werden.
Positive Worte gilt es hingegen zum Antrieb zu verlieren. Das Fahrgefühl ist angenehm und dank Drehmomentsensor harmonisch. Der Hinterradnabenmotor weist drei reguläre Unterstützungsstufen sowie einen Schiebe- und einen Turbomodus auf. Bei letztgenanntem ist mir kein großer Unterschied zur dritten Stufe aufgefallen, sodass ich überwiegend in den ersten drei Modi unterwegs war.
Hier liefert der Antrieb eine für den Alltag sinnige und stimmige Abstufung, die je nach Bedarf unterschiedlich stark unter die Arme bzw. Beine greift. So lassen sich auch leichtere Anstiege und Gegenwind mit Tempo 20 bis 25 km/h meistern. Die Schaltung mit ihren acht Gängen arbeitet solide. Gleiches gilt für die Bremsen, auch wenn sie gerne noch etwas knackiger zupacken könnten.
Positiv ist zudem, dass der Motor angenehm leise arbeitet, sodass die Fahrten nicht von einem nervigen Surren untermalt werden. Still und leise ist das Urtopia Chord X aber dennoch nicht. Denn jegliche Betätigungen des Bedienteils quittiert das E-Bike mit einem Geräusch aus dem Onboard-Lautsprecher. Diese lassen sich in der App aber nicht nur ändern, sondern glücklicherweise auch komplett unterdrücken.
Auch die Klingel ist nicht physisch, sondern wird über den Lautsprecher und das Bedienteil ausgelöst. Sie ist gefühlt nicht so effizient wie eine „richtige“ Klingel, sodass sie bei meinen Fahrten von Fußgängern teilweise nicht wahrgenommen wurde.
Solide Reichweite und riesiges Display
Natürlich muss ich auch ein paar Worte zur Reichweite mit einer Akkuladung verlieren. Beispielsweise hat eine rund 17 km lange Tour mit ca. 100 kg Beladung aus mir und Gepäck, zügiger Fahrt in leicht hügeligem Gelände zumeist mit der zweiten Unterstützungsstufe und partiellem Gegenwind rund 30 Prozent aus dem Akku gezogen hat.
Hierauf basierend ergeben sich rund 60 km Reichweite unter diesen Bedingungen. Wer weniger wiegt oder stärker tritt bzw. langsamer fährt, kann natürlich weiter elektrisch unterstützt fahren. Die vom Hersteller angegebenen 120 km sind aber (wie so oft) maximal unter Idealbedingungen erreichbar und im Alltag nicht wirklich realistisch. Zudem wirkt sich der Standbybetrieb negativ auf den Akku aus. Nach gut einem Monat Standzeit im Keller war der zuvor noch rund zwei Drittel volle Akku komplett leer.
Auf dem Display wird zwar der Akkustand, aber leider nicht die Restreichweite angezeigt. Ohnehin fällt das klobige und leicht spiegelnde Display, das im Gegensatz zum Chord 1 nicht im Lenker integriert, sondern auf diesem aufgeschraubt ist, zwar riesig aus, bringt im Alltag aber nicht so viel, wie man aufgrund der Größe erwarten würde.
Mit LEDs stellt es im Pixellook immer nur zwei Informationen dar. So lassen sich beispielsweise die aktuelle Geschwindigkeit und der Ladestand (als grobteiliger Balken), die zurückgelegte Distanz und die verbrannten Kalorien, das Wetter (basierend auf dem Standort) und die Uhrzeit oder die aktuelle Leistung und die Trittfrequenz anzeigen. Man kann so zum Beispiel nicht den Ladestand, die Geschwindigkeit und die Distanz auf einmal im Blick haben, ohne den Screen umzuschalten. Das lösen viele andere Hersteller mit bedeutend kleineren Displays alltagspraktischer.
Viele smarte Features, aber auch Probleme
Rein von der Technik her ist das Urtopia Chord X ein solides E-Bike. Vergleichbares gibt es bei anderen Herstellern aber bereits für weniger Geld als die aufgerufene UVP von 2.499 Euro. Der Fokus beim Urtopia Chord X liegt, wie man es schon von den Carbon-Modellen des Herstellers kennt, eindeutig auf den smarten Features, mit denen man einen Teil des Kaufpreises rechtfertigt. Hier hat das Chord X viel zu bieten, wobei einige Features auch nur technische Spielereien sind.
Die Schaltzentrale ist die App, die es kostenlos für iOS und Android gibt. Der initiale Verbindungsaufbau hat problemlos funktioniert. Es muss nur ein auf dem Display eingeblendeter QR-Core gescannt werden. Durch die weiteren Schritte samt erforderlicher Registrierung wird dann geführt.
Über die App lassen sich nicht nur viele Dinge ein- und ausstellen, sondern theoretisch auch Fahrten tracken. Leider bleibt das auch in der Praxis bei der Theorie, denn es war mir während der gesamten Testzeit nicht möglich, das E-Bike und die App dazu zu bewegen, dies auch zu tun.
Der Button zum Starten einer getrackten Fahrt ist bei mir ausgegraut und lässt sich nicht bedienen. Eine automatische Übertragung von Fahrten ist ebenfalls nicht erfolgt. Somit steht auch nach etlichen zurückgelegten Kilometern noch „0,00 km“ in meiner Statistik – nicht gerade motivierend. Wo das Problem liegt, lässt sich für mich nicht herausfinden. Auch eine Klärung mit dem Hersteller hat bisher keine Lösung hervorgebracht. Sollten wir das Problem noch in den Griff bekommen, folgt hier ein kleines Update.
Dass es prinzipiell funktioniert, zeigen aber getrackte Touren anderer Urtopia-Radler, die Teil der Community sind. Denn in der App lassen sich eigene Fahrten mit anderen Nutzern teilen. Die Statistik zeigt dann neben der Distanz auch die Durchschnittsgeschwindigkeit, die Dauer, die verbrannten Kalorien sowie das eingesparte CO2. Optional kann auch die Herzfrequenz berücksichtigt werden, wenn eine Apple Watch vorhanden ist.
Die vielen anderen Funktionen der App haben hingegen problemlos funktioniert. So lässt sich das Fahrrad bei aktiver Bluetooth-Verbindung nicht nur per App ein- und ausschalten, sondern es kann unter anderem mit neuer Firmware versehen werden. Auch diverse Einstellungen wie die erwähnte akustische Untermalung (zur Wahl stehen jeweils verschiedene Töne) lassen sich hier vornehmen. Zudem kann das Licht ein- und ausgeschaltet werden – allerdings nur das Frontlicht im Display. Das kleine Rücklicht an der Sattelstange muss manuell bedient werden.
Praktisch ist die in die App integrierte Navigationsfunktion. Es lässt sich einfach ein Ziel eingeben, zu dem dann navigiert wird. Die Anweisungen gibt es hierbei nicht nur auf dem Smartphone-Bildschirm, sondern auch in Form von Pfeilen und Distanzangaben auf dem E-Bike-Display – wenn auch nicht immer so richtig gut nachvollziehbar. Auch englische Sprachanweisungen werden ausgegeben, allerdings nur auf dem Telefon und nicht am E-Bike. Dessen integrierter Lautsprecher kann übrigens auch als Bluetooth-Box genutzt werden. Der Klang ist aber überschaubar.
Für die Navigation wird das GPS des Smartphones verwendet. Aber auch das Chord X hat einen GPS-Tracker integriert. So lässt sich das E-Bike als Diebstahlschutz orten. Voraussetzung hierfür ist der Connect-Service, der für ein Jahr beim E-Bike dabei ist. Jedes weitere Jahr kostet 45 Euro und sorgt so für Folgekosten, was aber auch bei anderen Herstellern wie dem SMAFO 4 durchaus üblich ist.
Als weiteren Diebstahlschutz kann das E-Bike per Fingerabdruck geschützt werden. Dann lässt es sich ohne den richtigen Finger auf dem Sensor im runden Button unter dem Display nicht starten. Ein physisches Schloss dürfte letztendlich aber immer noch die sicherere Lösung sein.
Abgerundet wird die smarte Ausstattung von einer herstellereigenen Sprachsteuerung, allerdings ebenfalls nur in englischer Sprache. So lässt sich zum Beispiel per Stimme die Unterstützungsstufe ändern oder ein kleines Spiel starten. Das funktioniert in Ruhe gut. Während der Fahrt und gegebenenfalls noch mit Verkehrslärm wird es dann schon schwieriger. Im Test stelle ich mir ohnehin die Frage, wie sinnig und nützlich solch ein Feature bei einem Fahrrad ist, wenn sich mit dem kleinen Bedienteil eigentlich alles viel schneller regeln lässt.
Fazit zum Urtopia Chord X Test: Viel Schein, nicht ganz so viel Sein
Urtopia macht mit dem Chord X hinsichtlich der smarten Features auf dicke Hose. Viel davon hat im Test auch gut funktioniert, allerdings nicht alles. Im Alltag ist vieles davon außerdem nicht so praktisch und ausgereift wie es sein könnte. Auch, wenn der Hersteller prinzipiell einige gute Ansätze verfolgt und viel bietet – teilweise jedoch nur mit Folgekosten.
Das E-Bike selbst als Basis ohne seinen smarten Schein hinterlässt im Test einen soliden Eindruck. Der Motor arbeitet zuverlässig und leise. Letztendlich hat mir das Fahren mit dem Chord X aber nicht so viel Spaß gemacht, was vor allem an der geschilderten Größen- und Sitzproblematik liegt, obwohl ich laut Hersteller eigentlich noch in die Zielgruppe hineinfalle. Würde ich mir das E-Bike von Urtopia kaufen, würde ich daher eher zum Chord greifen.
Letztendlich gibt es noch einige Punkte, wo der Hersteller noch nachbessern könnte. Insgesamt will das Urtopia Chord X vor allem mit seinen smarten Features punkten. Wer Spaß daran hat, der kann gerne zugreifen. Wer auf das eine oder andere Gimmick verzichten kann und sich dafür etwas mehr Alltagstauglichkeit wünscht, findet für die UVP von 2.499 Euro sicher auch bei anderen Herstellern passende Alternativen. In diesem Preisbereich, und sogar darunter, konnten uns vor allem E-Bikes von Tenways überzeugen. Das Chord X kostet bei Urtopia direkt aktuell 2.499 Euro, ist allerdings vereinzelt in anderen Shops auch schon für 1.999 Euro zu finden.
Urtopia und Utopia velo sind zwei grundverschiedene Firmen! Bitte achten sie im Artikel auf die Schreibweise.
Gruß, Heinz
Hi Heinz,
danke für den Hinweis, wir haben die Tippfehler gleich korrigiert :)
Liebe Grüße, die Redaktion