E-Bike Motoren aus Asien müssen sich nicht hinter der Konkurrenz aus Japan oder Europa verstecken. Mit dem Ananda M100 kommt ein neuer Antrieb auf den Markt, der mit hoher Leistung punkten möchte. Wir haben den E-Bike-Motor getestet.
Ananda-Motoren erobern das Mittelfeld
Mit etwa einer halben Millionen verkauften Einheiten in Europa gehört Ananda zu den großen Herstellern von E-Bike-Antriebssystemen. Dennoch kennt die Marke kaum jemand, denn viele der Motoren landen als White-Label-Produkte mit anderem Branding auf dem Markt.
Mittlerweile zählt Ananda auch leistungsfähige Mittelmotoren zu seinem Portfolio. Den Motor M81 konnten wir bereits am City-E-Bike Vecocraft Aura und am E-Mountainbike Vecocraft Hermes testen. Hier hat er uns mit seiner Kraft und seiner ausgezeichneten Sensorik überzeugen können.
Mit dem Ananda M100 bringt der Antriebshersteller aus Fern-Ost nun einen Motor auf die Straße, der nach CE sowie DIN EN 15194 Standards zertifiziert ist und auf dem Datenblatt selbst mit Herstellern wie Bosch, Shimano oder Bafang mithalten kann. 110 Newtonmeter sind eine ganze Menge, das Gewicht von 3,5 Kilogramm jedoch auch.
Ananda M100 ist für E-Bike-Hersteller anpassbar
Ananda setzt bei seinen E-Bike-Antrieben auf ein offenes System. Das bedeutet, dass nicht der Motorenhersteller, sondern der E-Bike-Hersteller das letzte Wort über die Ausgestaltung der Leistung des Systems haben. E-Bike-Hersteller haben so die Möglichkeit, die Unterstützungsstufen des Motors per App an ihr E-Bike anzupassen. Sie vergeben die Namen für die Unterstützungsstufen und konfigurieren die Leistung, die den FahrerInnen zur Verfügung stehen wird. Der Motor soll ebenfalls in einer 45-km/h-Version für S-Pedelecs konfiguriert werden können.
Unser Testbike für den Ananda M100 ist allerdings ein herkömmliches E-Bike für den französischen Markt, ein E-Hardtail der Marke Nakamura – eine gute Basis, um den Motor auch unter Last zu testen. Gesteuert wird das System über ein sehr kompaktes und dennoch praktisches Display mit mehreren Tastern. Auch hier lässt sich die Ausstattung vom Hersteller anpassen, Ananda bietet eine ganze Produktpalette an unterschiedlichen Displays für seine Systeme. Mit der kompakten Bedieneinheit bin ich jedoch am E-MTB sehr zufrieden.
Ananda erlaubt 2×4 Unterstützungsstufen
Das E-Bike ist kommt jedoch nicht nur mit einem auf E-Mountainbiking abgestimmten Antriebskonzept daher, sondern auch mit einem Modus für die City. Über einen kleinen, beinahe verborgenen Taster am Rand der Bedieneinheit kann ich verschiedene Fahrtdaten aufrufen. Selbst Exoten wie der aktuelle Verbrauch in Watt pro Kilometer finden sich dort neben nützlichen Daten wie verbleibende Reichweite in Kilometern oder die zurückgelegte Strecke.
Ein längeres Halten des Druckknopfes befördert mich ins versteckte Menü der Bedieneinheit. Hier kann ich über den Menüpunkt „smart“ zwischen zwei verschiedenen Motor-Einstellungen wählen: City und E-MTB. Das ist extrem nützlich, denn so stehen mir effektiv nicht nur vier, sondern gleich acht Unterstützungsstufen zur Verfügung – je nachdem, in welchem Bereich ich mich gerade austoben möchte.
Fahrmodi grenzen sich am Testbike des Ananda M100 deutlich voneinander ab
Natürlich fahre ich ein kleines Stück mit dem City-Modus, der in den oberen Unterstützungsstufen auch ordentlich anzieht. Doch mein Hauptaugenmerk gilt der E-MTB-Konfiguration. Da die Einstellung ohnehin den E-Bike-Herstellern obliegt, interessiert mich vor allem die Sensorik und die Leistung unter Last. Ich möchte herausfinden, wie sich der Motor in Extremsituationen schlägt.
Dennoch geht es erst einmal im Eco-Modus auf Reisen. Die untere Unterstützungsstufe funktioniert hervorragend. Schnell vergesse ich, dass ich überhaupt mit Unterstützung fahre, es fühlt sich einfach an, als ob ich ständigen Rückenwind hätte und das E-Bike unter mir mit wenig Rollwiderstand über Asphalt und Beton rast. Nur an der Ampel muss ich tatsächlich auch mal runterschalten, um ordentlich voranzukommen: Eco-Modus halt. Effizient ist, wer Gänge wechselt.
Der Tour-Modus hebt sich leicht vom Eco Modus ab und gibt noch ein bisschen mehr Power ins System. Rückenwind und bergab, sozusagen. Doch der nächste Modus „Smart“ hat es echt in sich. Hier schiebt der Motor auch auf gerader Strecke schon deutlich spürbar mit an. Allerdings stehe ich mit der Bezeichnung „Smart“ etwas auf dem Schlauch, denn gelegentlich fängt das Bike an zu „bocken“.
Wenn ich kurz vor der Ampel beim Ausrollen noch einmal die Pedale leicht bewege, zum Beispiel. Dann macht das Bike einen kleinen Sprung, bis es erkennt, dass ich doch nicht weiter will. Dennoch eine Situation, an der man erstens die Hände am Lenker haben will und zweitens eventuell sogar die Bremse zücken muss.
Unter Last ein echter Kämpfer
Ansonsten ist die Sensorik ziemlich gut. Der Motor reagiert, sobald ich mit Last die Kurbel einige wenige Grad gedreht habe. Im „Boost“ Modus scheint es allerdings schon fast egal, wie viel eigene Kraft ich zum Start an die Kurbel gebe – er legt kräftig los und ähnelt damit beinahe Antrieben mit Pedalsensor. Allerdings entfaltet er nicht sofort seine volle Power, sondern erst, wenn ich ein bisschen mehr in die Pedale trete.
Das testet sich am besten am Berg. Während ich bei einer ordentlichen Steigung (hier komme ich mit einem herkömmlichen Fahrrad nur unter ächzen im ersten Gang hinauf) mit leichter Pedalumdrehung auf 10km/h befördert werde, bekomme ich mit mehr Tretkraft auch die 25 km/h hin. Das Antriebssystem merkt, ob ich schneller fahren möchte, auch wenn mein eigener Anteil an der Auffahrt immer noch schwindend gering ist.
Denn der Test am Berg geschieht immerhin im höchsten Gang, schließlich will ich ja wissen, wie der Motor unter Last funktioniert. Er schafft die 25 km/h, ohne dass ich Schwitzen oder mich anstrengen muss. Eine stolze Leistung, die vor allem dem hohen Drehmoment des Systems zu verdanken ist.
Sogar die Anfahrt am Berg gelingt mit ein wenig Anschieben, damit die Sensorik den Fahrtversuch registriert. Allerdings wird der Motor bei dieser Höchstbelastung auch ziemlich warm. Und zwar so warm, dass es an der Grenze ist zum „lieber nicht mehr anfassen“. Dennoch erledigt er seine Arbeit auch beim zweiten und dritten Versuch noch problemlos. Heiß, aber er funktioniert. Schließlich ist es ja auch eine außergewöhnliche Belastung. Jenseits des Tests würde hier wohl kaum jemand den höchsten Gang wählen.
Besonders positiv: Der Motor ist flüsterleise
Nach einer kurzen Pause mit normaler Belastung im Smart-Modus kühlt der Motor auch wieder auf humane Temperaturen ab und fällt außer durch seine ungebremste Leistung überhaupt nicht auf. Das ist ein weiterer Pluspunkt für den Motor, denn im Gegensatz zu vielen anderen Systemen höre ich vom Motor selbst keinen Mucks.
Vielleicht ist es die laute Mountainbike-Bereifung, die das Geräusch des Ananda M100 übertönt, doch selbst mit äußerster Konzentration kann ich auch unter Last keinen Ton aus der Richtung des Motorgehäuses vernehmen. Hier bekommt das Attribut „flüsterleise“ eine ganz neue Bedeutung.
Fazit: Gutes Datenblatt, gute Fahreigenschaften
Beim Rennen um das höchste Drehmoment oder das leichteste System gilt es eins immer zu beachten: Ein E-Bike-Antrieb ist nur so gut, wie das Gesamtkonzept des Bikes. Dennoch kann ein bisschen Power in der Hardware nicht schaden. Hier überzeugt Ananda mit einem Antrieb, der sich mit den Größen am E-Bike-Markt durchaus messen kann. Die mögliche Leistung des Systems ist enorm, auch wenn an unserem Test-E-Bike im oberen Bereich einige kleine Kritikpunkte aufgetreten sind, die jedoch auch von der Abstimmung des Systems abhängig sein können.
Dementsprechend täten E-Bike-Hersteller gut daran, sich den Motor etwas genauer anzusehen. Schließlich steckt mit den geräuscharmen 110 Newtonmetern eine Menge Potenzial in dem Ananda M100 – es muss nur vernünftig in ein Gesamtkonzept integriert werden. Dann fährt Ananda künftig wohl weiter auf der Überholspur. Beinahe schade, dass die abgehängten Fahrer aufgrund des White Labels nicht allzu viel davon mitbekommen werden.