Schon im Jahr 2020 konnte sich die Fahrradbranche glücklich schätzen. Mit einem gigantischen Umsatzanstieg von über 60 Prozent boomte der Markt für Fahrräder, E-Bikes und Zubehör. Anfang 2021 prognostizierten die Experten des Zweirad-Industrie-Verbands ein anhaltendes Wachstum auch für das laufende Jahr.
Nun veröffentlicht der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) die offiziellen Daten und Statistiken für 2022.
2021 bricht die E-Bike Rekorde knapp
Mit etwa 5 Millionen Fahrrädern, davon etwa zwei Millionen E-Bikes hat jeder 16. Bürger in Deutschland bereits 2020 ein neues Zweirad gekauft. Doch sind die Keller und Garagen allmählich voll?
Nicht wirklich, denn scheinbar scheinen die Deutschen noch jede Menge Platz zu haben. Vor allem für hochwertige E-Bikes. Mit 4,7 Millionen verkauften Fahrrädern und E-Bikes ist die gesamte verkaufte Stückzahl zwar leicht gesunken, doch das liegt vor allem an den konventionellen Fahrrädern, die im Absatz leicht schwächeln. Der Absatz von E-Bikes ist hingegen auch 2021 etwas gestiegen. Zwei Millionen E-Bikes fuhren aus den Lagern.
50 Prozent in Sicht – früher wurden sie ausgelacht
Auf der Pressekonferenz zeigt sich Burkhard Stork besonders erfreut über den hohen Marktanteil der E-Bikes. Zwar wurden 2021 immer noch mehr Fahrräder als E-Bikes verkauft, doch die 50-Prozent-Marke sei in Sicht.
Bereits vor zehn Jahren haben Experten den Marktanteil von E-Bikes in der Zukunft auf 50 Prozent geschätzt. „Sie wurden ausgelacht“, erklärt Burkhard Stork, Vorsitzender des ZIV. Doch heute sei die Industrie dem Ziel mit 43 Prozent so nahe wie nie.
ZIV äußert sich kritisch gegenüber Politik
Stork macht außerdem klar, wem der Dank für den massiven Ausbau der E-Mobilität gebühre. Im Fahrradbereich habe die Umstellung „ohne einen Pfennig Subventionierung stattgefunden.“ Allein die engagierten Produzenten und Verkäufer seien der Motor für die positive Entwicklung, während sich die Politik lediglich auf E-Autos konzentriere. Und das, obwohl es eine größere Anzahl an E-Bike-FahrerInnen gibt, als es beim E-Auto der Fall ist.
Die Forderung nach besserer Infrastruktur folgt dementsprechend klar: „Wir erwarten, dass die Politik mehr Rücksicht auf die Interessen unsere Nutzer und Nutzerinnen nimmt.“ Dennoch lobt Stork auch die Bemühen einiger Kommunen und Verbände, das Radfahren für die Bürger zu einem besseren Erlebnis zu machen.
E-Bike Boom ist keine Blase
Der ZIV geht von einer anhaltenden Nachfrage nach Fahrrädern und E-Bikes aus. Die Umsatzsteigerung von 2% im Vergleich zum Vorjahr sei ein Zeichen, dass der E-Bike-Boom 2020 keine Blase aufgrund der Corona-Pandemie gewesen ist.
Mit 6,56 Milliarden Euro Umsatz in 2021 steht die Zweiradindustrie auf einer gesunden Basis, obwohl der Verkauf von Fahrrädern leicht zurückgegangen ist. Die Umsatzsteigerung hängt unter anderem mit dem höheren Durchschnittswert der verkauften Fahrräder zusammen. Dieser wiederum liegt an der erhöhten Nachfrage nach hochwertigen E-Bikes.
1.395 Euro hat ein Kunde 2021 im Durchschnitt für ein Fahrrad oder E-Bike bezahlt. Über zwei Drittel der E-Bikes wurden dabei im Fachhandel gekauft. Der Anteil des Online-Handel lag 2021 bei 23 %. Dennoch betont Stork, dass die Investitionen in Online-Angebote richtig waren. KundInnen schauen vermehrt online nach Informationen, bevor sie den Fachhandel aufsuchen.
Die angesagtesten E-Bikes 2021
Während herkömmliche Fahrräder meist als Trekking oder City-Fahrräder an die Kunden gehen, haben beim E-Bike die Offroad-Modelle die Nase vorn. 680.000 E-Mountainbikes wurden 2021 verkauft und führen damit die Nachfrage an.
Ganz hinten in der Liste steht hingegen das E-Lastenrad mit 120.000 verkauften Exemplaren. Immerhin hat sich dessen Absatz im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Im Bereich von Fahrrädern ohne Motor sind Lastenräder sogar die einzige Fahrradart, die 2021 stärker nachgefragt wurden als 2020.
Wie sieht die Zukunft für Fahrrad und E-Bike aus?
Mit geschätzten 81 Millionen Fahrrädern, davon etwa 8,5 Millionen E-Bikes, ist Deutschland extrem gut ausgestattet. Doch der ZIV erwartet nicht, dass der Markt gesättigt ist. Im Gegenteil lässt Burkhard Stork durchklingen, dass die Industrie derzeit zu hohen Investitionen bereit sei. Details könne er aber zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mitteilen.
Dafür gibt es ein paar warnende Worte in Richtung Politik. Trotz aller Absatzzahlen und der Umsatzsteigerung in 2021 wird es die Fahrradindustrie nicht leicht haben. Waren es vor zuvor die Pandemie, Werksschließungen und Lieferengpässe, folgt mit dem Krieg in der Ukraine die nächste große Herausforderung.
„Natürlich merken wir auch alle deutlich, dass die Unsicherheit, die das mit sich bringt, in die Produktion mit hineingeht“, erklärt Stork. Beispielsweise seien die derzeitigen Preisschwankungen von Stahl und Nickel „grotesk“. Doch gerade mit Blick auf steigende Ölpreise sollte man die Chancen der zweirädrigen Mobilität nicht verpassen.
ZIV fordert „vernünftige Einwanderungspolitik“
Zwar arbeite die Industrie mit vollem Engagement, doch mehr als Rohstoffe und Materialien fehle es den Produzenten sogar an (Wo)man-Power. So würde die Zweiradbranche laut Stork gerne einen größeren Teil der Industrie zurück ins Land holen: „Aber wer soll es den tun?“ Der Wille sei da, nur fehle es an guter Ausbildung und Fachkräften auf allen Ebenen.
Dementsprechend schließt Stork seine Präsentation mit einer Forderung für eine vernünftige Einwanderungspolitik: „Wir wollen in Deutschland produzieren, dafür brauchen wir Menschen, die bei uns und mit uns arbeiten werden.“
> Der Anteil des Online-Handel halbierte sich hingegen 2021 auf einen Marktanteil von nur drei Prozent.
Das ist etwas missverständlich, der Anteil des Online-Handels liegt bei 23%. Die 3% sind der „Fachhandel online“, dazu kommen aber noch 20% Onlineversender. Folien Nr. 33 des ZIV
Gruß
Hi Matthias,
danke! War tatsächlich etwas missverständlich ausgedrückt ;)
Liebe Grüße, die Redaktion