Regelmäßig bleiben Passanten vor dem RadWagon 4 von Rad Power Bikes stehen und diskutieren über die möglichen Einsatzzwecke. Denn das Lastenrad ist länger, als übliche E-Bikes. Es lässt sich über Zubehör für viele Aufgaben einsetzen und ist zudem noch preiswert. Wir haben den Verwandlungskünstler in Berlin hauptsächlich als Familienkutsche getestet. Hier liest du, welche Erfahrungen wir im Alltag damit gemacht haben, für wen das E-Bike geeignet ist und welche ungewöhnlichen Aufgaben es noch übernehmen kann.
Die optimale Familienkutsche?
Unsere Kinder sind dem Kinderanhänger entwachsen und fahren auf ihren eigenen Rädern eher kürzere Strecken. Bei größeren Entfernungen blieb bisher nur der ÖPNV. Mit einem einspurigen, sogenannten Longtail-E-Bike sollten zwei Kinder ab fünf Jahren auch auf längeren Distanzen sportlich zu transportieren sein. Zudem wollen wir damit auch Einkäufe und andere Besorgungen erledigen. Das RadWagon 4 ist im Vergleich eine eher günstige Variante eines sogenannten Longtail-Lastenrads mit langem Gepäckträger.
Zusammenbau des RadWagon 4
Nach der Bestellung kommt das Lasten-E-Bike innerhalb weniger Tage per Spedition zu uns. Wir sind überrascht wie klein der Karton daherkommt. Der Grund: Alles ist hervorragend verpackt und das Vorderrad platzsparend verstaut.
Überhaupt hat sich das US-amerikanische Unternehmen Rad Power Bikes viel Mühe gegeben, die Auspack- und Aufbau-Erfahrung so angenehm wie möglich zu gestalten. Dazu zählt eine gut bebilderte Anleitung auf Deutsch sowie ein englischsprachiges Video auf YouTube.
Was in der Anleitung steht, aber auch intuitiv schnell klar wird, ist: Auf jeden Fall empfiehlt es sich beim Auspacken, eine zweite Person um Hilfe zu bitten. Denn das E-Bike aus dem Karton zu hieven, kann wegen des Gewichts durchaus knifflig sein.
Alle wichtigen Werkzeuge für den Zusammenbau sind im Lieferumfang. Wir halten uns vor allem an das Video und müssen das Vorderrad, den Lenker, die Pedale, den Fahrradständer und eine Feder zwischen Rahmen und Vorderrad montieren.
Diese Feder hält das vordere Rad gerade und verhindert ein Umkippen. Damit ist der Grundaufbau erledigt. Wir hatten allerdings noch Zubehör für den Einsatz als Familienrad geordert: Die sogenannte Caboose – ein Geländer zum Festhalten für die Kinder auf dem Gepäckträger, sowie Trittbretter für die Füße der Mitfahrenden. Für Einkäufe soll ein kleiner Korb für vorne dienen. Die Caboose-Halterung lässt sich ziemlich schnell anbringen. Mitgeliefert wurden für jede Seite jeweils zwei Haltestreben. Wir entscheiden uns dafür, je nur eine weit außen anzubringen, da unsere Kinder schon größer sind.
Der Rad Power Bikes Support funktioniert
Jetzt wären eigentlich die Trittbretter an der Reihe. Die vorgesehenen Schrauben lassen sich allerdings partout nicht hineindrehen und damit am Rahmen befestigen. Wir versuchen es mit schwerem professionellen Werkzeug, aber wir kommen irgendwie nicht weiter. Der Tag neigt sich dem Ende und wir müssen vorerst den Aufbau stoppen.
Wir melden das Problem Rad Power Bikes. Kurze Zeit später regiert der Support per Telefon aus den Niederlanden. Wir sprechen Deutsch und eine Lösung zeichnet sich ab: Schrauben aus dem Baumarkt besorgen, damit wir so schnell wie möglich mit dem E-Bike fahren können. Eigentlich ein guter Tipp doch leider sind in unserem Fall diese speziellen Schrauben nicht verfügbar und so muss uns der Support komplett neue Trittbretter zuschicken. Das dauert zwar ein paar Tage und hält auf, aber wir sind begeistert wie reibungslos die Kommunikation und die Lösungsfindung verläuft.
Mit den neuen Trittbrettern geht es dann ohne Probleme weiter mit dem Aufbau. Der Korb lässt sich direkt am Rahmen mit vier Schrauben anbringen. Abschließend müssen wir nur noch die vordere Lampe versetzen und am Korb befestigen.
Erster Eindruck vom RadWagon 4
Vor uns steht ein sehr stabiles E-Bike in der Farbe Weiß mit riesigem Gepäckträger. Auf ihm sind schöne helle Holzflächen angebracht auf dem die Kinder dann sitzen sollen. Wir fragen uns, ob wir nicht lieber Polster hätten mitbestellen sollen? Jedoch wird sich beim Praxistest sicherlich noch zeigen. Eine ähnliche Holzfläche schmückt den Boden des Korbs vorne, was optisch stimmig ist und ein hochwertiges Bild abgibt.
Sofort fällt auf, dass das E-Bike hauptsächlich für den Kindertransport gedacht ist. An den Seiten des Hinterrads ist Plexiglas angebracht, sodass keine Kinderfüße in die Speichen gelangen können. Für wechselnde Fahrer und Fahrerinnen ist eine Teleskop-Sattelstütze verbaut. Damit können sowohl kleine Menschen, als auch große mit dem Cargobike fahren. Rad Power Bikes gibt eine Spannweite von 155 cm – 195 cm Körpergröße an, was wir als realistisch einschätzen.
RadWagon Erfahrungen – das Lastenrad im Praxistest
Der recht große Akku macht uns neugierig. Es sieht so aus, als wäre er zwischen Ober- und Unterrohr eingeklemmt. Wie gut lässt der sich wohl entnehmen? Das ist das erste, was wir testen. Am Akkuschloss selbst gibt es nicht zwei, sondern drei Positionen: „An“, „Aus“ und „Akku entriegeln“. Auf der Position „Akku entriegeln“ drücken wir mit etwas Schmackes den Akku nach oben gen Vorbau, womit er sich ruckartig aus seiner Steckverbindung löst. Danach kann er gut seitlich entnommen werden.
Reichweite des Cargo-E-Bikes
Bei der Entnahme des Akkus stellt sich die Frage, wie oft dieser überhaupt an die Steckdose muss. Der Hersteller gibt eine Reichweite von maximal 72 km an. Das wollen wir herausfinden. Los gehts als Erstes nur mit einem Kind. Unser Sohn steigt unkompliziert von unten durch die Caboose auf den Holzsitz. Ich trete im kleinsten Gang in die Pedale und das E-Bike schiebt sofort – fast ohne Verzögerung – nach vorne.
Das ist in sofern überraschend, da nur ein einfacher Tretsensor verbaut ist. Der funktioniert allerdings erstaunlich gut und ist auch sonst super abgestimmt. Sobald ich aufhöre zu treten stoppt auch die Unterstützung des Motors – ein Nachlaufen des Antriebs ist quasi nicht vorhanden.
Im Verlauf des Tests sind wir das Rad rund 200 km in verschiedensten Situationen gefahren und immer weiter als 50 km gekommen. Zwar ist das von den maximalen 72 km etwas entfernt, wir haben das E-Bike allerdings auch nie geschont und sind meist in den Unterstützungssufen 2-4 gefahren. Dafür sind 50-60 km Reichweite ziemlich gut, zumal das E-Bike mit seinen rund 35 kg alleine schon Gewicht mitbringt.
Unterstützung & Antrieb
Das Durchschalten der Gänge läuft mit der einfachen Shimano-Schaltung flüssig. In Kombination mit den fünf Unterstützungsstufen des Antriebs fährt sich das lange E-Bike dynamisch und fast schon sportlich. Ohne Kind auf asphaltierter ebener Straße beurteilen wir die Unterstützung des Motors so:
- Stufe 0 – Licht lässt sich anschalten und die Motorunterstützung ist aus
- Stufe 1 – 50 Watt – bis 17 km/h – sanft
- Stufe 2 – 100 Watt – langsame Beschleunigung bis 25 km/h
- Stufe 3 – 150 Watt – mittlere Beschleunigung bis 25 km/h
- Stufe 4 – 200 Watt – starke Beschleunigung 25 km/h
- Stufe 5 – 250 Watt – extrem starke Beschleunigung 25 km/h
Wir merken jedoch schnell, dass das Unterstützungsverhalten sehr von der transportierten Last und den jeweiligen Bedingungen abhängig ist. Maximal 158 kg lassen sich beim RadWagon 4 übrigens zuladen.
Auf ebener Strecke ist für uns Stufe 3 für eine entspannte Fahrt vollkommen ausreichend. Auch bei moderaten Steigungen. Soll es sportlicher zugehen oder geht es steil bergauf, ist Stufe 4 oder 5 notwendig. Nur bei der sehr gemütlichen Fahrt durch den Park oder zum Losfahren nutzen wir manchmal Stufe 1 oder 2.
Für das Anfahren zeigt sich in der Praxis aber noch eine weitere Option, auf die wir nach einer Weile eigentlich ausschließlich setzen: die Anfahr- und Schiebehilfe, für die es sogar zwei Auslöser gibt. Einer ist am Bedienteil auf die Minustaste gelegt, die länger gedrückt gehalten werden muss, damit der Motor bis 4 km/h beschleunigt. Das ist zum Schieben ein gute Hilfe. Zum Anfahren ist der Gasgriff auf der rechten Seite jedoch besser geeignet. Der ist in den USA und in anderen Ländern, für eine Beschleunigung ohne zu treten gedacht. In Deutschland und weiteren europäischen Ländern ist das jedoch verboten. Dennoch macht der Griff bei der EU-Variante einen guten Job bis rund 7 km/h. Ein Feature, das wir auch schon bei den vergangenen Tests vom RadRunner Plus, dem RadMission 1 oder dem RadExpand 5 lieben gelernt haben.
Viel Komfort mit guten Scheibenbremsen
Wir mögen an dem RadWagon 4 außerdem die Scheibenbremsen. Sie stammen von Tektro, sind mechanisch und verzögern mit und ohne Zuladung immer verlässlich und zügig. Auf ein weiteres Sicherheitsplus weißt uns ein Mitarbeiter eines Computerladens hin, dem wir auf Nachfrage die Features des E-Bikes zeigen: „Und cool, wenn du bremst geht das Bremslicht hinten an!“
Kinder lieben den Rundumblick
Das Eine ist das Fahrgefühl und die Ausstattung des E-Bikes, das Andere ist die Akzeptanz bei unseren Kindern. Und die lieben es. Unser Sohn hat sofort den Dreh raus und setzt sich lächelnd auf den Gepäckträger. “So viel Platz alleine”, freut er sich. Auf Nachfrage gibt er noch mehr Feedback: “Ich kann mehr sehen als im Anhänger und ich kann mit dir sprechen während der Fahrt”. Das sind Pluspunkte, die ich überhaupt noch nicht auf dem Schirm hatte.
Egal bei welcher Gelegenheit: Alle Kinder, die das Rad sehen, wollen den Gepäckträger ausprobieren. Einmal besuchen wir eine Verkehrsschule. Das sind diese grandiosen Orte, an denen Verkehrssituationen mit echten Ampeln und Schildern von Kindern nachgespielt werden können. Hier muss ich Runde um Runde mit wechselnden Kinderkonstellationen hinter mir auf dem Gepäckträger drehen. Dabei sind die Mitfahrhinweise immer gleich: Bitte nicht hampeln und keine Party feiern. Das ist nicht nur als Gag gesagt, denn im Gegensatz zum Kinderanhänger bekommst du Bewegungen der Fahrgäste mit. Das kann sich in der Kennenlernphase mit dem RadWagon 4 etwas unsicher anfühlen.
Auch unsere große Tochter, die eigentlich sehr gern mit ihrem eigenen Fahrrad fährt, freut sich jetzt manchmal auf eine Mitfahrgelegenheit. Bei älteren Kindern ist allerdings auf die jeweiligen Landesbestimmungen zu achten. In Deutschland dürfen laut StVO nur Kinder bis sieben Jahren offiziell auf dem Gepäckträger mitfahren. Die haben dann aber richtig Spaß. Zum Beispiel auch beim Herausstrecken der richtigen Hand zum “Blinken”, wenn du abbiegen willst. Übrigens bestätigt sich meine anfängliche Befürchtung nicht: Das blanke Holz auf dem Gepäckträger ist nicht zu hart für Kinderpopos. Egal ob Asphalt, Kopfsteinpflaster oder Kieselwege. Das Sitzgefühl ist immer gut, meinen die Testkinder, was mich durchaus erstaunt.
Reaktionen sind vorprogrammiert
Unser gewähltes RadWagon 4 ist ein Hingucker. Das Weiß zusammen mit der Originalität der Rahmengeometrie bewegt die Menschen, denen wir begegnen, zu zahlreichen Reaktionen:
- “Ist das extra angefertigt oder kann man das kaufen? Das ist mit Rundumsicht für den Kleenen, wa?”, sagt eine ältere Frau an der Ampel.
- “Ich starre nicht. Ich bewundere nur das E-Bike. Das sieht richtig gut aus. Da kriegt man bestimmt richtig viele Kinder mit”, staunt ein Mann im Park.
- “Wieviel kostet das? Was unter 2.000 Euro – und schon mit Antrieb?”, fragt ein Fahrradmechaniker.
- “Das ist fast schon ein Motorrad! Da hinten kommen bestimmt die Kinder drauf”, stellt ein Paar im Park fest.
- “Wie sich das wohl so fährt?”, grübelt ein Vater mit einem anderem Lastenrad am See.
Wir finden, dass es einfach ein cooles Fahrgefühl ist. Trotz des schweren E-Bikes mit Kindern und Gepäck dabei, kommst du mit Leichtigkeit auf 25 km/h. Je nach Größe der Kinder passen sogar bis zu drei auf den Gepäckträger. Allerdings sollten sie da hinten nicht zu viel Faxen machen. Idealerweise sagst du den Kindern, dass sie „Blinken“ sollen. Das macht unseren jedenfalls Spaß, sie lernen, wo links und rechts ist, und sind mit einer Aufgabe beschäftigt.
Technische Daten und realistische Reichweite
Die Komponenten am Rad Power Bikes RadWagon 4 sind einfach gehalten. Das ist dem geringen Preis geschuldet, ändert jedoch nichts an der hohen Funktionalität des E-Bikes. Die wichtigsten technischen Daten:
- 250W Getriebenabenmotor, 48 Volt-System
- Bis zu 72+ Kilometer pro Akkuladung
- Lithium-Ionen-Akku mit 672 Wh
- 158 kg Ladekapazität
- Volle Verkehrsausstattung
- Integriertes Rücklicht mit Bremslichtfunktion
- Anfahrhilfe bis 6 km/h
- Display mit USB-Anschluss
- Schaltwerk: 7-Gang Shimano Acera
- Mechanische Schreibenbremsen von Tektro
- Werkzeuglos verstellbarer Lenkervorbau Satori EZ3 AHS
- Teleskop-Sattelstütze
- E-Bike-Gewicht: 34,8 kg
- Kapazität des Hinterradgepäckträgers: 54 kg
Einsatzmöglichkeiten des RadWagon 4 und Zubehör
Das RadWagon 4 von Rad Power Bikes ist in der Basisvariante nur mit dem langen Gepäckträger ausgestattet. Als Familienkutsche für größere Kinder sollten die Trittbretter und die Caboose mit in den Warenkorb des Onlineshops wandern. Die Sitzpolster sind ein nettes Zubehör, aber nicht unbedingt notwendig. Für kleinere Kinder empfiehlt es sich, Kindersitze hinten anzubringen. Als Familienauto-Ersatz lassen sich vorne am Rahmen verschiedene Körbe anbringen. Rad Power Bikes bietet auch passende Taschen an. In dieser Kombination ist auch ein „Kofferraum“ verfügbar. Wer es auf die Spitze treiben will, kann sogar noch eine Kupplung für einen Kinderanhänger hinten und einen weiteren Kindersitz am Lenker anbringen. Dann passen theoretisch bis zu fünf Kinder in, beziehungsweise auf das Gefährt.
Auch als reines Transport-E-Bike lässt sich das RadWagon 4 verwenden. Körbe passen auch auf den Gepäckträger und der Hersteller bietet zusätzlich extra lange Seitentaschen an, die die Länge des Longtail-E-Bikes ausnutzen.
Unser Nachbar – ein Kameramann – hat einen komplett anderen Verwendungszweck des RadWagon 4 im Sinn. Für ihn wäre es quasi die bewegliche Plattform für eine Steady-Kamera, um Fahrten oder Laufszenen zu filmen. Und nach seinen Recherchen gibt es tatsächlich erste Nutzer des RadWagon in den USA, die das E-Bike genau dafür im Einsatz haben.
Test-Fazit
Mit dem RadWagon 4 von Rad Power Bikes ist ein sogenanntes Longtail-E-Bike verfügbar, das ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis aufweist. Eine Variante für den Transport von zwei Kindern plus Gepäck kostet gerade einmal rund 2.200 Euro. Die Fahreigenschaften sind gut und Kinder lieben es, auf dem Gepäckträger mitzufahren. Mit einer Reichweite von über 50 Kilometern ist das RadWagon 4 ideal für Pendler in der Stadt und auch für Ausflüge ins Grüne. Alleine die Entnahme des Akkus erfordert etwas Übung. Was bleibt ist aber ein Schnäppchen unter den einspurigen Cargo-E-Bikes, das nicht nur für die Kindermitnahme, sondern auch für andere Transportzwecke geeignet ist.
RadWagon 4 kaufen
Rad Power Bikes vertreibt das RadWagon 4 in den Farben Weiß, Schwarz und Orange direkt über seine Website. Das E-Bike ist sehr beliebt und daher ist oftmals eine Farbe ausverkauft. In der Grundvariante kostet es unter 2.000 Euro. Vielerlei Zubehör für den Kindertransport und andere Zwecke ist darüber hinaus im Onlineshop auswählbar. Die europäische Zentrale sitzt im niederländischen Utrecht. Von dort erfolgt auch der deutschsprachige Support, der nach unserer Erfahrung sehr hilfreich und zuvorkommend ist.
Danke für den schönen Bericht
Mich würde interessieren ob es möglich ist, einen Fahrradanhänger vom Chariot bzw Thule zu befestigen??