Das Vecocraft Aura liegt preislich in der unteren Mittelklasse. Hier erfährst du, warum der Preis von 2.399 Euro das E-Bike kaum widerspiegelt.
City-E-Bike mit ordentlicher Ausstattung
Ein Langzeittest mit einem City- oder Trekking-E-Bike ist eine kleine Herausforderung für jemanden, der mit Mountainbikes und BMX-Rädern groß geworden ist und heute vorzugsweise auf dem Rennrad sitzt. Komfort und eine aufrechte Sitzposition können durchaus ungewohnt sein. Schließlich trete ich gerne ordentlich in die Pedale und mag den Fahrtwind im Gesicht.
Nun stehen im Alltagstest jedoch andere Aspekte im Vordergrund als die Windschnittigkeit. Das Vecocraft Aura ist ein Freizeit-E-Bike wie aus dem Lexikon: Abgesenktes Oberrohr zum leichten Einstieg, Federgabel, Gepäckträger, Schutzbleche, acht Gänge, hydraulische Scheibenbremsen mit ordentlichem Durchmesser und ein Mittelmotor von Ananda. Doch wie gut ist diese Kombination im Alltag? Wir haben es getestet.
Der Ananda M81: Unverdient unbekannt
Ananda Mittelmotor? Noch nie gehört? Kein Wunder, denn dieser Hersteller ist hierzulande bisher nicht sehr weit verbreitet. Und auch beim Aura fällt der Name nicht direkt ins Auge, ohne den Hersteller bei der Abholung des Aura nach den Daten des E-Bikes zu fragen. Der Motor, gebrandet mit dem Namen des E-Bike-Herstellers, wirkt zunächst ziemlich unscheinbar. Viel habe ich auf den ersten Blick deshalb nicht erwartet.
Ich dachte, mit etwas Glück käme der Motor vielleicht an den Bafang M200 ran, der mich beispielsweise mehr beeindruckt hatte, als ich gedacht hätte. Für die Preiskategorie wäre das bereits eine gute Leistung und ein gut abgestimmter Mittelmotor mit mittlerer Leistung schließlich schonmal nicht schlecht.
Bei der Abholung fragte ich dann ebenfalls, was der Motor denn so kann. „100 Newtonmeter!“ Wie bitte? Ich dachte die Dame bei Vecocraft mache Scherze. So viel Power, für den Preis? Doch sie lachte nicht, sondern nahm es als Selbstverständlichkeit. Etwas Skepsis behielt ich jedoch. 100 Newtonmeter bringen nicht mal die Top-Modelle von Bosch, Shimano oder Yamaha.
Hervorragendes Fahrgefühl mit dem Vecocraft Aura
Doch als ich dann meine erste Probefahrt startete und direkt mal die Stufe 5 auswählte, verschlug es mir ein wenig die Sprache. Denn hier steckt richtig Power dahinter. Das Vecocraft Aura zieht sauber an und entfaltet auf hoher Stufe schnell und ordentlich seine Kräfte. Ohne, dass man das Gefühl hat, ins Leere zu treten. Erster Eindruck: Überragend. Auf ebener Strecke testet man jedoch kein Drehmoment.
Erst als ich mitten auf einer steilen Auffahrt am Mainufer im achten und höchsten Gang aus dem Stand mit einem Lächeln die Steigung heraufchauffiert wurde, war ich sicher: Die Dame hatte nicht gelogen. 100 Newtonmeter fühlen sich wirklich nett an. Ich freute mich auf die kommenden Wochen mit dem E-Bike.
Nicht zu viel Power für den Alltag
Zwar ist die Stufe 5 ein kleines Highlight, wann immer es ein wenig anspruchsvoll wird, doch das Aura ist das erste Testbike im unteren Preissegment, das ich hauptsächlich in der ersten Stufe fahre. Schon dort bekommt man spürbaren Schub, ohne sich zu verausgaben. Für die Stadt ist das wie gemacht, selbst wenn es mal ein paar Hügel hinaufgeht.
Der Motor ist zudem recht leise. Nur in niedrigen Gängen, bei hohen Umdrehungen, heult der Motor leicht auf – aber wer fährt schon gerne mit der Trittfrequenz einer Nähmaschine bei hoher Kadenz? Genau dafür gibt es am Aura ja die Schaltung.
Bremsen und Schaltungen aus guter Hand
Damit die Übersetzung zu allen möglichen Gegebenheiten passt, gibt das Vecocraft Aura einem ganze acht Gänge zur Auswahl. Geschaltet wird über eine Kettenschaltung der Acera-Reihe von Shimano. Auch hier überrascht die Ausstattung des E-Bikes positiv. Die Acera-Schaltung ist solide und liegt im Portfolio von Shimano hinsichtlich seiner Leistung oberhalb der Tourney- oder Altus-Modelle, die man sonst teilweise bei E-Bikes unter 3.000 Euro sieht.
Die Schaltung wird über zwei Daumentaster an der Hand bedient und spricht gut an. Der Gangwechsel wird prompt erledigt und macht sich durch ein gut hörbares Knacken bemerkbar. Doch die Kette blieb bisher immer dort, wo sie hingehört, auch beim schnellen Wechsel über mehrere Gänge.
Über die Scheibenbremse von Tektro lässt sich ebenfalls nicht klagen. Nachdem die Bremse auf den ersten paar Kilometern wie üblich mit etwas Quietschen und Schleifen eingefahren war, gab sie keinen Mucks mehr von sich, sondern verrichtete ruhig ihre Arbeit.
Die Hydraulik gibt ein Gefühl von äußerst genauer Kontrolle. Jede Bremsung lässt sich exakt dosieren und wenn es einmal brenzlich werden sollte, kann das System ohne großen Kraftaufwand die volle Leistung abrufen. Gerade im Verkehr der Großstadt ist das sehr beruhigend.
Gutes Handling und Sitzposition
Von vornherein habe ich mir das E-Bike passend eingestellt und war begeistert: Es ist selten, dass ich mit 1,85 ein günstiges City- oder Trekking-E-Bike noch gut fahren kann. Das Vecocraft Aura bietet allerdings sogar etwas Luft nach oben. Ich fühle mich wohl – trotz der ungewohnt komfortablen Haltung. Die Power des Motors sorgt schließlich dafür, dass es auch bei aufrechter Sitzposition nicht unsportlich wird.
Generell ist es tatsächlich das Fahrgefühl, was mich neben dem Motor am meisten beeindruckt hat. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: Die verlässliche Suntour Federgabel, der stabile Rahmen und die relativ breite Bereifung.
Meine erste Fahrt ging bei Regen durch wirklich matschigen Wald. Das Aura fällt optisch eigentlich in die Kategorie der City-E-Bikes, doch ohne mit der Wimper zu zucken würde ich es auch auf Touren mitnehmen, bei denen es über Schotter- und Feldwege geht. Das Bike ist einfach verlässlich.
Die Federgabel macht auf wechselndem Untergrund einen hervorragenden Job und generell wirkt alles am Aura stabil und sicher. Die Bereifung macht auch im Matsch noch einen guten Job und so waren die ersten 20 Kilometer im strömenden Regen ein reines Vergnügen.
Die kleinen Eigenheiten des Vecocraft Aura
Erst nach der Fahrt kam eine kleine Ernüchterung: ein glänzend weißer Rahmen und der Waldweg vertragen sich dann doch nicht so gut. Schon stand die erste Reinigung an. Eine von mehreren, die noch kamen. Gerade weil das E-Bike auffällig weiß strahlt und viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, will es auch regelmäßig von Schmutz befreit werden. Dieser Nachteil hält sich jedoch mit dem Vorteil des edel-sportlichen, dauerweißen Looks die Waage.
Gleiches gilt für andere kleine „Makel“. Beispielsweise gefällt mir die doppelte Sicherung des Akkus nicht so sehr, obwohl sie durchaus Sinn macht. Um den Akku zu entnehmen, was gerade im Winter nach jeder Fahrt sinnvoll ist, muss ich zunächst das Schloss des Akkus entriegeln und anschließend einen zweiten Sicherungsmechanismus lösen.
Beim Herausnehmen ist das in Ordnung, beim Einstecken des Akkus jedoch immer ein wenig Fummelarbeit. Die doppelte Sicherung sorgt allerdings auch dafür, dass der Akku nicht zu Boden kracht, wenn man ihn einmal fahrlässig eingesetzt hat, ohne dass er richtig einrastet.
Dann gibt es schließlich noch ein kleineres Wehwehchen. Mich irritierte am Anfang, dass die Unterstützungsstufen über einen Links-Rechts-Taster angepasst werden – und vor allem, dass der linke Taster die Stufe erhöht und der rechte sie verringert.
Das widersprach meinem europäischen Verständnis von „links ist klein und rechts ist groß“ zunächst ein wenig. Allerdings ist es so rum einfach praktischer, denn den näheren Taster für „mehr Power“ benötigt man oft spontan und er ist durch die Nähe zum Daumen jederzeit schnell erreichbar.
Ein einziger Qualitätsmakel
Anders hingegen steht es um ein dauerhaft nerviges Wehwehchen: das Frontschutzblech. Es schleift bei mir, laut hörbar und mit Auswirkungen auf den Reifen. Ich habe es mit der Einstellung der Halterung versucht, bei jeder Fahrt vorne gegen das Schutzblech gedrückt, aber es hat immer nur kurz geholfen.
Hinten am Rad wirkt es, als sei der Abstand zum Reifen zu groß, während er oberhalb des Rades schlicht zu gering ist – und zu allem Übel ist das Schutzblech an sich leicht nach links verzogen. Dadurch schleift das Blech immer am Reifen und hinterlässt neben dem unangenehmen Ton auch noch Schleifspuren. Nach 100 Kilometern half dann nur die archaische Methode: Streben verbiegen, bis es passt. Doch auch das war mühsam und wollte oft korrigiert werden.
Kleine Materialfehler sind gerade im unteren Preisbereich zu erwarten, doch gerade am Aura ist es doppelt traurig. Denn außer dieses einen Makels gibt es hier von der Qualität und Verarbeitung überhaupt nichts zu bemängeln. Hoffentlich ist dieser Verarbeitungsfehler ein Einzelfall, ich kann es mir eigentlich nicht anders vorstellen. Schließlich ist das Schutzblech schon ziemlich verzogen.
Fazit: ein gelungenes E-Bike zum sehr fairen Preis
Ich bin also über die letzten Monate zum Tiefeinsteiger-Fahrer mutiert – und das mit Vergnügen. Das Vecocraft Aura zeigt, dass es auch unter den günstigeren E-Bikes Modelle gibt, die alle Vorzüge zusammenbringen: Sicherheit, Qualität, Sportlichkeit und Komfort des E-Bikes sind durchaus beeindruckend.
Dementsprechend wehmütig gebe ich das E-Bike auch wieder zurück. Den starken Motor werde ich ein wenig vermissen und Ananda werde ich als Motorenhersteller von nun an genau beobachten. Hier steckt viel Potenzial verborgen. Genauso wie in der Marke Vecocraft. Sollten andere Modelle ähnlich gut aufgestellt sein, findet sich hier ein Anbieter, der weiß, wie man den Preis niedrig hält und dennoch die Erwartungen an Qualität und Ausstattung übertrifft.
Für wen das Vecocraft Aura geeignet ist
Würde ich das E-Bike also empfehlen? Definitiv! Jeder, der ein E-Bike vor allem für den städtischen oder ländlichen Alltag sucht, ist hier sehr gut aufgestellt. Gerade in hügeligeren Regionen spielt das Drehmoment des Mittelmotors seine Stärken voll aus. Im Flachland kommt das E-Bike dann auch auf niedriger Stufe schnell vom Fleck und schont damit den Akku.
Dessen Leistung ist übrigens auch in Ordnung. Bei wechselnder Unterstützung hielt eine volle Ladung 50 bis 100 Kilometer wobei jeder einzelne davon Spaß gemacht hat.
Das Vecocraft Aura bekommst du im Web-Shop von Vecocraft für derzeit 2.399 Euro. Für das, was man am Aura geliefert bekommt, ist das ein mehr als verlockender Preis, wie ich finde.