Superpedestrian kommt nach Europa mit einem Nachrüstkit, das die Zukunft von E-Bike & Co aufzeigen will. Wir hatten die rote Scheibe eine Woche im Copenhagen Wheel Test.
Made in Massachusetts – Von Cambridge in die ganze Welt
Die Firma Superpedestrian ist in europäischen Gefilden noch eher unbekannt. Mit dem europaweiten Markstart des Copenhagen Wheel möchte die Firma aus Massachusetts diesen Umstand aus der Welt schaffen. Denn nun beginnt die Auslieferung auch hier.
Bereits im Jahr 2009 wurde das vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) entwickelte Nachrüstkit im Rahmen der Kopenhagener Klimakonferenz vorgestellt und konnte schon im Vorfeld viel Lob und Anerkennung für das Konzept erlangen. Dennoch dauerte es bis zum Jahr 2012 bis die eigentliche Firma Superpedestrian gegründet wurde.
Im Gegensatz zu vielen anderen amerikanischen Unternehmern zog die Firma aber nicht in das Silicon Valley – der Heimat von Apple, Google und Co. – sondern setzte weiterhin auf die Nähe zum MIT. Gemeinsam mit Experten von Segway, Boston Dynamics, sowie weiteren Hochkarätern der amerikanischen Technologiewelt wurde es bis zur Serienreife weiterentwickelt und 2013 auf den amerikanischen Markt losgelassen.
Design – Ein E-Antrieb wie von Apple
Nachrüstsätze gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Das Copenhagen Wheel aber ist auffällig anders. Statt das Fahrrad mit weiteren Komponenten und Kabeln zu „verschönern“ sitzt im E-Rad von Superpedestrian alles kompakt im Hinterrad versteckt. Das aber hat auch seinen Preis – stolze 8 Kilogram bringt der Nachrüstmotor auf die Waage.
Dennoch ist das Design puristisch, modern und funktional. Optisch sieht das Copenhagen Wheel aus wie eine Entwicklung aus dem Hause Apple. Aus gutem Grund hat sich Superpedestrian für das knallige Rot entschieden.
Konnektivität – Ohne Smartphone geht nichts im Copenhagen Wheel Test
Einmal aufgeladen und angeschaltet muss der Motor mit dem eigenen Telefon gekoppelt werden. Dafür ist die „Companion-App“ für das Smartphone absolut notwendig. Nach einem kurzen Anmeldevorgang und der „Wheelsuche“ per bluetooth verbindet sich das Copenhagen Wheel mit dem Telefon. Zukünftig koppeln sich – sofern gewünscht – beide Geräte vollautomatisch.
Über die App werden dann auch alle Einstellungen wie Fahrmodi, Übersicht der Fahrstrecke, sowie das Verschliessen des Copenhagen Wheels ermöglicht. Ob sich das Smartphone dabei am Lenker oder in der Tasche befindet, ist völlig irrelevant. Entfernt man sich weiter als fünf Meter vom Sender, wird der Antrieb gesperrt.
Bei unserem Testgerät gab es zunächst Probleme mit der Verbindung zu meinem eigenen Smartphone. Durch ein zurücksetzen des Motors (schnelles Ein- und Ausschalten des Rads), konnte mein Handy doch noch den Motor finden.
Exercise – Das E-Bike für Sportler
Ich konnte das Copenhagen Wheel bereits auf der vergangenen Eurobike in Friedrichshafen testfahren und hatte schon einen ersten Eindruck vom Verhalten des Antriebs. Durch die Verwendung des Motors in verschiedenen Fahrrädern kam es aber dennoch zu kleinen Veränderungen beim Fahrgefühl.
Für die Probefahrt im August stand ein kleineres Urban Bike bereit. Bei unserem Testrad von Marin war hingegen alles herrvorragend auf meine Körperergonomie und -Größe abgestimmt.
Beim Blick auf das Smartphone Display sind insgesamt 5 Modi einstellbar. Exercise – Off – Eco – Standard – Turbo. Während die drei letzgenannten und „Off“ nicht näher beschrieben werden müssen, ist der Modus „Exercise“ wirklich aussergewöhnlich. Hier nämlich kann sich der geneigte Sportenthusiast richtig austoben. Durch das eigene Treten wird Energie ins System gespeist und der Akku geladen. Während im Off-Modus „nur“ ein schwerer Klotz im Hinterrad mitfährt, erschwert die Exercise-Variante dies noch durch den zusätzlichen Motorwiderstand. Ideal zum Auspowern.
Fahrgefühl – Stadt, Land, Boost
Besonders wohl habe ich mich mit dem Copenhagen Wheel auf asphaltierten Straßen gefühlt. Auf diesen ist der Antrieb merklich heimisch und kann gerade bei Steigungen überzeugen. Ein weiterer Vorteil ist auch die Motorposition. Durch die Verwendung im Heck schiebt der Antrieb harmonisch nach vorne. Besonders schön: Der Motor ist während der Fahrt kaum hörbar. So vergisst man schnell, dass man auf einem Elektrorad sitzt.
Zwei Wermutstropfen gibt es aber trotzdem. Vermutlich aufgrund der hiesigen Rechtslage riegelt der Motor ab exakt 24,9 Km/h rigoros ab. Hier sollte ein Softwareupdate für ein wenig mehr Toleranz sorgen, zumal der Übergang zum eigenen Treten relativ ruppig ist.
Ein weiterer negtiver Aspekt ist die Verwendung des Antriebs im Gelände und auf eher sandigen und hügeligen Untergründen. In meinem Fall kam hier die Elektronik des Copenhagen Wheels etwas durcheinander und verlor die Verbindung zum Smartphone. Bemerkt habe ich dies allerdings erst nach 13 Minuten Fahrt, da das Rad ohne Verbindung trotzdem noch fahrbereit ist.
Fairerweise muss an dieser Stelle aber erwähnt werden, dass der Antrieb eher für die urbane Verwendung konzipiert ist. Somit fällt die eingeschränkte Geländegängigkeit nicht so sehr ins Gewicht.
Sicherheit – Bremsen mit Rekuperation
Mein Lieblingsfeature am Copenhagen Wheel ist allerdings die eingebaute Motorbremse. Ähnlich wie bei Elektroautos kann das Rad hier ohne manuellen Bremseneinsatz zum Stillstand gebracht werden. Dafür wird die Tretkurbel während der Fahrt etwa eine halbe Umdrehung nach hinten bewegt und schon bremst der Motor sanft ab. Positiver Nebeneffekt ist dabei die ebenfalls verbaute Rekuperation, womit der Akku beim Bremsen aufgeladen wird. Durch das einfache Hin- und Herswipen der Assistenz-Modi lässt sich jede Fahrtsituation für ein partielles Wiederaufladen der Batterie nutzen. Auch das sonst wenig Vergnügen bereitende Abbremsen in langen Gefällen kann so auf einmal neue Energie bringen.
Ähnlichkeiten zu Tesla – Viel intelligente Technik
Warum das Copenhagen Wheel kein einfaches Nachrüstkit ist, zeigt ein Blick in das Innere. Zusätzlich zu Motor und Batterie werkeln hier eine Vielzahl verschiedenster Sensoren. Die sogenannte „Human-Enhancing-Technology“ sorgt dabei für eine ständige System-Überwachung. Mehr als 100 Mal pro Sekunde wird dabei die Bewegung des Rads gemessen und analysiert. Über die Kombination von Drehmoment, Antriebskraft, Trittfrequenz, Pedalstellung und Beschleunigungserkennung soll laut Aussage des Herstellers so das Optimum an Performance herausgeholt werden. Die genaue Anzeige des momentanen Status des Rads bringt auch Vorteile für den Unfallschutz und Schadenbehebung. So kann die App den oder die NutzerIn sofort darauf hinweisen, wenn ein Fehler vorliegen sollte. Praktischerweise liefert sie die Lösung gleich mit. Über 100 problematische Szenarien, wie Sturz, Akkuausfall oder Radblockade sind in der App festgehalten und führen einen Schritt für Schritt zur Behebung des Problems.
Die Verbindung zum Smartphone dient dabei als Schnittstelle und direkter Dreht zum Unternehmen selbst. Alle Motordaten gehen kontinuirlich zu Superpedestrian nach Cambridge. Durch diese Form von Schwarmintelligenz entsteht praktisch ein laufender Copenhagen Wheel Test. Aus den gesammelten Daten sollen Upgrades entstehen, die das Rad immer besser machen sollen, ohne dass Nutzer davon etwas merken.
In der aktuellen Companion App fällt diese Versendung nicht auf. Dagegen ansprechend war die Möglichkeit, sich die Arbeit des Motors im Vergleich zur selbst erbrachten Leistung anzeigen zu lassen. Dies geschieht fast simultan, was durchaus neuen Spaß in die Zusammenarbeit mit dem e-Antrieb bringt. Auch die Routen der letzten Trips lassen sich über die App anzeigen. Auf diese Weise lassen sich, insbesondere in Verbindung mit dem Exercise Modus, persönliche Trainingsstrecken-, profile und -ziele planen und auswerten. Bei den Testfahrten durch Berlin und Brandenburg waren diese Anzeigen allerdings noch nicht besonders genau was den Streckenverlauf angeht.
Fazit zum Copenhagen Wheel Test
Auch der zweite Copenhagen Wheel test zeigt, dass das rote Rad im Gesamtkonzept überzeugen kann. Dennoch ist das Nachrüstkit besonders für eine Zielgruppe interessant: Stadtbewohner mit Lust auf moderne Technik. Denn die Technik aus den USA kann ihr Potenzial am Besten auf abwechslungsreichen Strecken mit viel Stop-and-Go ausschöpfen. Außerdem ist die Möglichkeit, den Motor per Smartphone zu aktivieren, anzusteuern und laufend zu aktualisieren ebenso innovativ wie attraktiv.
Zu kaufen ist das Copenhagen Wheel auf der Hersteller-Seite.
Und was ist mit den Menschen, die sich bewusst gegen ein Smartphone entschieden haben? Oder es schlicht nicht bedienen können und wollen, zum Beispiel alte Menschen für die ein e-Bike prinzipiell gut ist.
Zudem würde mich mal interessieren ob das datenschutzrechtlich (GDPR) ok ist. Schließlich gehen die Daten die das Ding sammelt auf Server in den USA. Und das sind PII (Personal Identifiable Information) relevante Daten, die eigentlich den deutschen und europäischen Datenschutzraum nach USA nicht verlassen dürfen. Und sie sind eben nicht anonym, weil die meine Mob.Nummer und die Mac-Adresse meine Devices enthalten, zzgl. Bewegungsprofil usw. Vor welchem Supermarkt oder Elektronikshop ich anhalten zum Einkaufen, zu welchem Arzt ist fahre, zu welcher öffentlichen Veranstaltung ich fahre, welche Bank ich besuche usw, usw… Mal sehen wann einer erste dagegen klagen wird.
Hallo,
ich habe das Wheel seit einigen Wochen, nachdem ich Jahre auf die Auslieferung gewartet habe.
Die Fahreindrücke, die Marius Kietzmann im Artikel beschreibt, kann ich nur bestätigen. Die Steuerung der Motorunterstützung ist vom Feinsten (was natürlich ein individuelles Empfinden ist), wobei mir die Unterstützung im „Eco-Modus“ schon fast mehr als genug ist. Der Motor ist nahezu nicht zu hören (sehr angenehm!) und die Motorbremse, die zudem in ihrer Stärke über die App einstellbar ist, möchte ich nicht mehr missen. Toll ist die Möglichkeit, das eigene, gut angepasste Fahrrad, mit wenigen Handgriffen in ein Pedelec und – vor allem genauso schnell – auch wieder zurück in ein „normales“ Fahrrad zu verwandeln. Auf der Negativseite: Der Akku ist fest verbaut. Das bedeutet, man muss das ganze Fahrrad zum Aufladen immer in die Nähe einer Steckdose bringen und es wird schwerer sein – der Winter naht – den Akku vor Kälte zu schützen. Hatte ich in der Konsequenz so nicht bedacht. Hoch problematisch aus meiner Sicht, dass auf dem Smartphone die standortbezogenen Dienste eingeschaltet sein müssen (!), um es mit dem Wheel zu koppeln und dieses zu aktivieren. Ich kann somit nicht verhindern, dass bei jeder Fahrt ein Bewegungsprofil von mir angelegt wird. Für mich – und da stimme ich Michael H. zu – im Grunde ein No-Go.
Aber die Super Brains vom MIT sind natürlich viel schlauer als der Rest der Welt und haben die Physik natürlich dank Ihrer Schlauheit überlistet und alle oben beschrieben Probleme mit ihren Superkräften gelöst.
Hallo, 4 Dinge kommen mir in den Sinn bei dieser Konstruktion.
1. Batterie und Elektronik in einer Wasserdichten Plastikkapsel. Bei +30 Grad Außentemperatur? Kann das gut gehen? Wo soll die Abwärme hin? Akkus und Motor werden nun mal heiß.
2. 8kg Gewicht als Beschleunigte Masse im Hinterrad? Wie lange hält das bis die ersten Teil einfach kaputt geschüttelt sind?
3. Reichweite. Da der Platz für die Akkus einfach sehr begrenzt ist, kann ich mir vor allem bei heißem und kaltem Wetter nicht vorstellen, dass es eine vernünftige Reichweite gibt.
4.Firma in den USA? Wie soll das mit Service, Reparatur, usw gehen? Das riecht nach Stress und Ärger. Und das bei dem Preis? Nein Danke. Zumal es das ZEHUS.it System gibt, dass gleiche Konzept aber besser gelöst.
8 Kg – da hätte ich schon gerne die Akkukapazität bzw. die unterstützte Strecke gewußt.
Der Akku hat 297 Wh Kapazität. Gefahren wurden verschiedene Streckenlängen zwischen 5 und 35 km.
Da frage ich mich allerdings, wie man den Akku wechselt, bzw. ob man einen Ersatzakku mitnehmen kann.
Für einen Austausch des Akkus sendet man das komplette Wheel ans Werk in den Niederlanden.
Schöne Antwort, besonders da offensichtlich alle Daten ohne Zustimmung (Bewegungsprofil) wieder
ins Internet gehen. Auch wenn neues 4G Handy nicht gleich internet bedeutet. 2 Karten und ausschalten.
Wichtig ist, daß man versteht, daß das Handy ein hochleistungs PC ist. Mit dem millfa. = günstigem
Sensor + Softw. geht Alles. Wahnsinn!!!! Mike
Habe kein Handy.
Sehe ich recht ? Felgenbremsen ? Das soll high tech sein ?
es gibt nichts besseres als eine bremsscheibe mit 600mm Durchmesser und wenig bremskraft, alles andere sind dumm dreiste möchte gern innovationen. Jeder Techniker macht die Augen zu bei dieser Bremsscheibenscheiße. Einfach mal nachrechnen wie eine Bremse funktioniert, denken. Nicht nachlabern. ZusatzGewicht nicht vergessen. Jede teure Bremsscheibe am Auto wird immer größer,
man muß rechnen können, schon mal Haarrisse in einer Bremsscheibe gesehen?
Manchmal ist Nichtwissen so angenehm. MfG Mike
Eine gute Maguro Scheibenbremse ist durchaus ok. Ich fahre jetzt schon 9000 km damit (allerdings mit Bosch-Mittelmotor.
Sorry: meinte eine Felgenbremse …
Die rote Farbe stört etwas, ansonsten gefällt mir das gut.
Alls eine Frage der Gewöhnung!
So eine auffällig große Scheibe im Hinterrad würde mir niemals gefallen, egal wie gut die ist.
Hoi Wolfgang, ich sehe das anders. Es fällt auf und so klaut es keiner.