Der Fahrradhersteller MIFA (Mitteldeutsche Fahrradwerke AG) hat ein neues E-Bike entwickelt, das ohne Kette auskommt. Die Tretenergie soll sich beim neuen Pedelec rein elektrisch auf das Hinterrad übertragen – eine mechanische Verbindung besteht nicht. Das E-Bike soll Rekuperation unterstützen, sodass die Bremsenergie automatisch den Akku auflädt. Der Name des Prototyps: X-PESA
Die Technik wird auch „Serie Hybrid-Antrieb“ genannt und stellt ein prinzipiell einfaches Verfahren dar, das auf Sensoren zum Beispiel im Tretlager verzichten kann. Dennoch ist sie eine Herausforderung für Entwickler. „Dass wir diese Entwicklung mit einem Generator-/Motorprinzip zum Funktionieren gebracht haben, ist ein Spitzenergebnis‘, so Sandy Hille, Ingenieur bei der MIFA.
Das Funktionsprinzip
Ein Generator im Tretlager erzeugt über die Pedale Strom, der wiederum einen Nabenmotor im Hinterrad antreibt. Mechanische Teile wie bei anderen E-Bikes entfallen damit, darunter die Antriebskette und die Schaltung. „Da sich die Leistungselektronik intelligent ansteuern lässt, fährt sich dieses Rad wie ein ,normales‘ Fahrrad – aber deutlich leichter“, so Hille weiter. Stufenlos einstellbar sei zudem der Grad der elektrischen Unterstützung und eine höhere Reichweite ließe sich durch programmierbare Fahrprofile erzielen.
Die Smartphone-Steuerung
MIFA gibt an, dass die Kommunikation mit dem E-Bike über ein Smartphone möglich sein soll. Dazu verfügt das neuartige Pedelec über eine Bluetooth-Schnittstelle, die den Kontakt zur Steuerung herstellt.
Die Entwicklung
Einzigartig soll die Entwicklung laut MIFA sein, da die Drehmomentübertragung und die Schaltung rein elektrisch beziehungsweise elektronisch funktionieren. Den Prototyp namens X-PESA hat MIFA gemeinsam mit dem IAI (Institut für Automatisierung und Informatik) GmbH und der Hochschule Harz aus Wernigerode entwickelt. Alle benötigten Funktionalitätsnachweise wurden nach eigenen Angaben bereits erbracht.
„Die Erfahrungen mit unseren Partnern in diesem Projekt waren sehr positiv“, so Michael Hecken, Leiter Marketing und Strategie, zur Kooperation. „Ganz besonders stolz sind wir darauf, dass die MIFA mit dem Prototyp aus technischer Sicht Neuland betritt.“
Sowohl das kürzlich vorgestellte Mando Footloose, als auch das 100.000 Euro E-Bike Black Trail 2 setzen auf den „Serie Hybrid-Antrieb“. Beide E-Bikes sollen bis 2013 Serienreife besitzen.
Wachstumsmarkt Multi-User-Fahrzeuge
MIFA will mit der neuen Antriebsart auf einen neuen Wachstumsmarkt setzen. Multi-User-Fahrzeuge wie das X-PESA-System sollen sich etwa bei Verleihprojekten in Großstädten einsetzen lassen, für die der Antrieb eher funktional sein soll. Auch der Fachhandel soll laut Unternehmen nach einem kettenlosen Antrieb verlangen.
/Update 2.10.2012
Serienreife
Auf Nachfrage von eBikeNews teilte uns ein Pressesprecher mit, dass der genaue Zeitpunkt der Serienreife noch nicht feststehe. Sie sei jedoch im ersten Halbjahr 2013 zu erwarten. Die Weiterentwicklung des Prototyps sei im Gange.
/Update
zu E-Bike X Pesa. Wenn man durch Treten Strom erzeugen kann, wäre es doch sicher sinnvoll, zusätzlich einen Anschluss zum Betreiben div. elektrischer Geräte einzubauen. Nicht nur für zu Hause, sondern da man ja mobil ist und fast überall hinkommt, gegebenenfalls notwendigen
Strom zu erzeugen. Als mobiles Kleinstkraftwerk.
Kommentar: Es ist erfreulich, dass sich E-Bikes aller Arten, kreativ weiterentwickeln
Gruß, G. Keintzel
Das Konzept ist selbstverständlich sehr interessant.
Denn es befreit die Fahrrad-Konstrukteure von der antriebstechnisch praktisch idealen Geometrie des Sicherheitsniederrads [1], wo das Tretlager über eine Schaltung unmittelbar vor dem angetrieben Hinterrad liegt. Dementsprechend ist das System prädestiniert für Spezialräder, wie das auf der ISPO BIKE 2013 vorgestellt Mando Footloose, aber auch für Rikschas, Lastenräder und andere Gefährte, die man auf der Branchenmesse SPEZI jedes Jahr in Germersheim antrifft [2].
Durch den geringeren Wirkungsgrad und das höhere Gewicht eignet es sich weniger für sportliche Pedelecs als für wartungsarme, businessorientierte bzw. akkubetonte Einsatzbereiche (z.B. Fahrrad-Mietsysteme). Denn wer immer einen vollen Akku hat, kann sich ein höheres Gewicht leisten:
– großer Akku,
– gute Federung,
– hohe Zuladung,
– Verkleidung der (schmutzigen) Mechanik.
Wie die Antriebssysteme auf dem Pedelecmarkt zeigen, ist ein Schaltgetriebe zwischen Antriebsmotor und Antriebsrad (mit Kompromissen bei Wirkungsgrad und Drehmoment) verzichtbar. Die Herausforderung liegt vielmehr bei Motor und Steuerungselektronik, und natürlich beim Generator. Denn ein „Fahrrad“ soll sich immer noch wie ein Fahrrad fahren.
Das X-PESA ist allerdings nicht das erste Fahrrad der Welt, das vollständig auf die klassische mechanische Kraftübertragung verzichtet. An der Hochschule für Technik und Architektur Bern experimentierte ein Team um Jürg Blatter und Dr. Andreas Fuchs schon in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts an einer Elektronischen Fahrrad-Transmission: „Jürg Blatter realisierte dann die erste fahrbare Muskelkraft-Transmission der Welt, gesteuert mittels eines zentralen Rechners.“ [3]
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheitsniederrad
[2] http://www.spezialradmesse.de/
[3] http://www.blatterelectronic.ch/DownloadUnsec/story1.pdf
Vielen Dank für Ihren Beitrag. Bitte beachten Sie auch das Interview auf eBikeNEWS, das wir mit Dr. Andreas Fuchs zu dem Thema geführt haben: https://ebike-news.de/serie-hybrid-antrieb-wird-marktreif-interview-mit-wegbereiter-andreas-fuchs/3219
Ihr eBikeNEWS-Team