Aus Bambus baut man Flöße oder Baugerüste. Ob man mit dem Naturmaterial auch ein gutes Touren e-Bike bauen kann, beantwortet unser Fahrtest mit dem my Volta.
Zugegeben, zunächst waren wir etwas skeptisch. Schließlich begegnet Bambus uns hierzulande eher als Schneidbrettchen in der Küche. Dort wird es wegen seiner hohen Widerstandsfähigkeit eingesetzt. Doch wir wollten es genauer wissen und haben einen my Boo Test organisiert. Dazu unterzogen wir das Bambus e-Bike my Volta des Kieler Herstellers einer ausgedehnten Testfahrt.
My Boo Test: Fahrerleben auf dem Bambus e-Bike
Wir bekommen ein my Volta Exemplar mit der Standard Ausstattung und einem Rahmen in Diamantform für einige Tage zur Verfügung. Ausgestattet ist es mit dem Mittelmotor STEPS E6000 von Shimano und einem 418 Wh Akku.
Damit fahren wir durch den Stadtverkehr, außerdem mit reichlich Gepäck durch das weite Berliner Umland. Insgesamt 55 Kilometer kommen damit zusammen, fast die Hälfte der vom Hersteller mit 120 km angegebenen maximalen Reichweite.
Ein Rahmen, der nachwächst
Sofort ins Auge fallen die besondere Form, und die natürlichen Farbtöne. Die weichen Rundungen und Verdickungen sind markant. Beim Anfassen spürt man die angenehme und typische, leicht raue und faserige Oberfläche. Und im Gegensatz zu den sich kalt anfühlenden Metallrahmen, die angenehme Wärme, die für organische Oberflächen von Holz und Bambus charakteristisch ist.
Haltbarkeit und Sicherheit
Das my Volta ist mit allen Prüfsiegeln ausgestattet, die es für Pedelecs in Europa und Deutschland gibt. Dazu gibt es fünf Jahre Garantie auf den Rahmen aus ghanaischem Bambus. Diesem können durch die Eigenschaften des Grundstoffs und durch die nachträgliche Behandlung und Lackierung weder Wasser noch Sonne etwas anhaben.
Jeder Rahmen ist ein aufwändig hergestelltes Einzelstück – mit allem was die Produktion in einer sozial und ökologisch verantwortlichen Manufaktur ausmacht. Die Enden der Rohre sind mit in Harz getränkten Hanfseilen verbunden. Mit dem aufwändigen Schleifen von Hand wird für glatte Übergänge der Verbindungsstellen gesorgt.
Selbst die Schutzbleche sind aus Bambus gefertigt und geben dem Rad dadurch einen zusätzlich hellen Gesamteindruck. Beim Rest des Rades endet dann das natürliche Wachstum und man findet hochwertige, meist schwarze Komponenten vor.
Anbauteile und weitere Ausstattung
Eine komfortable Federgabel sorgt zusammen mit einer Federsattelstütze für Dämpfung. Das Hinterrad ist fest verschraubt, das Vorderrad ist durch einen Schnellverschluss für Transport oder Reparatur leicht herausnehmbar. Das Testrad hat mit 58 cm Rahmenhöhe die ideale Größe für einen Fahrer von 185 cm Größe. Mit dem in Höhe und Neigung einstellbaren Lenkervorbau lässt sich die Haltung noch zusätzlich an persönliche Wünsche anpassen.
Bestellbar sind außerdem drei weitere Rahmengrößen und den zwei Formen Diamant und Trapez für den erleichterten Einstieg. Neben den Rahmenvarianten gibt es viele weitere Ausstattungsmöglichkeiten. Diese werden von My Boo in Form eines komfortablen Online Konfigurators angeboten. Auch hierdurch bestärkt man die Firmenphilosophie, eine echte Manufaktur zu sein.
Kräftiger Antrieb dank Shimano Steps E6000 Mittelmotor
Beim my Volta sorgt ein Mittelmotor von Shimano, der Steps E6000 für Unterstützung bis 25 km/h. Der zugehörige Akku wird unter dem Gepäckträger eingeschoben und ist abschließbar. Als Schaltung kommt eine bequeme und wartungsarme Nabenschaltung ohne Rücktritt zur Verwendung.
Übertragen wird die Motorkraft über eine Kette, alternativ ist seit diesem Jahr auch der Einsatz eines sauberen und verschleißarmen Riemens möglich. Wer einen Kettenschutz vermisst, kann diesen ab Werk in Form eines Chaingliders einbauen lassen.
Schaltung und Bremsen
Die 8-Gang Schaltung lässt sich bequem und einfach über einen Drehgriff bedienen. Drehen nach unten – großer Gang. Drehen nach oben – kleiner Gang. Wem acht Gänge nicht genügen, der kann eine 11-Gang Schaltung bestellen. Es geht noch komfortabler, mit der Di-2 Funktion von Shimano, die ebenfalls optional erhältlich ist. Dieser intelligente Zusatz ermöglicht automatisches Schalten.
Gebremst wird das my Volta über zwei hydraulische Scheibenbremsen. Die beiden Bremshebel lassen sich gut erreichen und funktionieren durch Position und Form bestens wenn die Hände auf den Griffen aufliegen.
Einstellen der Motorfunktionen
Der Lenker ist leicht nach hinten geschwungen. Über die komfortablen Griffen mit Handballenauflage und seitlicher Führung, ist eine sehr gute und ermüdungsfreie Kontrolle des Rads möglich. Ebenso gut zu erreichen sind Bedienteil, Klingel, Display und der Schaltgriff.
Die drei Taster des Bedienteils lassen sich bequem mit dem Daumen bedienen. Über die beiden unteren, grauen Tasten wechselt man die Unterstützungsstufen. Durch den deutlichen Druckpunkt gibt es sofort eine Rückmeldung, dass man die Unterstützungsstufe gewechselt hat. Ein dezenter Signalton ertönt, wenn die höchste Stufe erreicht oder der Motor schon aus ist. Beste Voraussetzungen, um das my Volta zu bedienen, ohne ständig nach unten zu sehen.
Das einfarbige Display zeigt kontrastreich und übersichtlich alle wichtigen Informationen. Am Display selbst findet man die Taste für das Licht und den Startknopf für den Antrieb. Beim Durchfahren dunkler Unterführungen merkt man, dass die Anzeige ganz leicht beleuchtet ist – ein weiteres hilfreiches Detail.
Fahreindruck
Dank Tretkraftsensor unterstützt einen der Motor beim Treten genau in dem Maß, mit dem man selbst tritt. Dadurch fährt sich das my Volta sehr intuitiv, die Unterstützung setzt ohne Ruckeln oder Verzögerungen ein.
An der 25 km/h Unterstützunggrenze ist kein unangenehmes Abregeln spürbar. Sanft geht es mit eigener Muskelkraft über dieses Tempo hinaus. Auch das erneute Einsetzen des Motors geschieht sehr geschmeidig. Erfreulich zudem, dass bei ausgeschaltetem Motor kein störender Widerstand beim Treten zu merken ist.
Die drei wählbaren Unterstützungsstufen (Eco/Normal/Hoch) empfinden wir als ausreichend. Sogar angenehm dadurch, dass es gegenüber vielen anderen Antrieben mit fünf und mehr Stufen weniger Ablenkung gibt.
In der Ebene und bei leichter Unterstützung verrichtet der Antrieb seine Arbeit schön leise. Beim Anfahren und bei größeren Steigungen hört man den Motor dagegen teilweise deutlich. Wobei die Geräuschentwicklung nicht unangenehm auffällt.
Bambus und Metall – Zusammenspiel der Komponenten
Bis hierhin klingt fast alles wie bei einem e-Bike mit Stahl- oder Aluminiumrahmen. Aber wie machen sich die hochwertigen Komponenten im Zusammenspiel mit dem Naturmaterial Bambus? Dazu fahren wir über drei Tage 55 km durch Berlin und Umgebung.
Auf verschiedenen Untergründen – von glattem Asphalt über Feldwege und anspruchsvolles Kopfsteinpflaster – geht die Reise. Wir stellen fest: Der hervorragende Komfort und die besonderen, natürlichen Dämpfungseigenschaften, die uns angekündigt waren, beweisen sich tatsächlich auf allen Strecken.
Und die Stabilität? Viele Kilometer geht es mit gepackten Satteltaschen und 20kg Zuladung. Das beeindruckt weder Rahmen noch Gepäckträger. Das my Volta nimmt die Last auf, ohne dass irgendein Gefühl von Instabilität aufkommt. Im Gegenteil, der Rahmen macht auch mit Gepäck einen wunderbar ausbalancierten Eindruck.
Das my Volta vermittelt ein so sicheres Gefühl, als würde man auf Schienen fahren. Diesen Eindruck hatten wir noch nicht bei vielen Touren e-Bikes.
Akku, Ladedauer und Reichweite
Der Akku sitzt unter dem Gepäckträger, an dem sich auch Satteltaschen befestigen lassen. Vorteil dieser Akkuposition: Von hier lässt er sich praktisch entnehmen, ohne dass man sich bücken muss.
Gleichzeitig ist der Akku durch die Metallstreben vor Beschädigung, und durch ein Schloss vor Diebstahl geschützt. Nach dessen Entriegelung kann man ihn einfach nach hinten herausziehen. Für den erleichterten Transport hat Shimano einen Tragegriff integriert.
Ein Laden des Akkus ist sowohl am Rad als auch außerhalb möglich. Schon nach 2,5 Stunden ist er wieder voll einsatzbereit. Dabei zeigen fünf grüne LEDs den aktuellen Ladestand an.
Mit dem 418 Wh Akku gibt der Hersteller eine Reichweite von bis zu 120 km an. Dagegen sind mit der 504 Wh großen Variante bis zu 150 km möglich. Zwar konnten wir die Werte nicht überprüfen, aber unser my Boo Test hat gezeigt, dass 100 km auf jeden Fall in einer Akkuladung stecken.
Wofür ist das my Volta besonders geeignet?
- tägliches Pendeln innerhalb und außerhalb der Stadt
- lange und flache Strecken
- leichte bis mittlere Anstiege
- zum Einkaufen und längere Touren mit Gepäck
- für unebene Untergründe
Für welche Anwendung ist es weniger geeignet?
- häufiges Heben und Transportieren
Was besonders gefallen hat:
- komfortabel gefederter und individuell einstellbarer Rahmen
- gute und einstellbare Federgabel
- kräftige und sehr gut dosierbare Bremsen
- gut angebrachtes, übersichtliches und gut ablesbares Display
- sicher bedienbarer Antrieb
- gute Greifmöglichkeiten zum Tragen und Transportieren
- sicherer Stand auch mit reichlich Gepäck
- große Auswahl der Rahmengröße und Ausstattung
- das angenehme Gefühl beim Anfassen des Rahmens
- die Philosophie hinter Firma und Produkt
Was weniger gefallen hat:
- beim Anfahren und an steilen Steigungen deutliches Motorgeräusch
- das vordere Schutzblech ist nach unten etwas kurz
- außen verlegte Strom- und Bremsleitungen
- fehlender Kettenschutz (als Ausstattungsvariante bestellbar)
Technische Daten
- Hersteller: My Boo
- Modell: my Volta
- Lieferzeit: 4 Wochen
- Sonderausstattung: große Auswahl u.a. für Rahmen, Schaltung und Anbauteile, auch ein Anhänger kann an das my Volta montiert werden.
- Garantie: 5 Jahre Garantie auf den Rahmen
- Rahmenform: Diamant (optional Trapez)
- Rahmenmaterial: Bambusrohr, Hanfseil, Epoxydharz
- Farbe: Natur (optional auch in anderen Tönen bestellbar)
- Rahmengröße: 58 cm (verfügbar auch in 52/55/61)
- Gewicht: (incl. Akku): 25,5 kg (gewogen)
- Zulässiges Gesamtgewicht: 120 kg
- Gewicht Akku: 2,5 kg
- Motor: Shimano Steps E6000 (Leistung 250W , max. Drehmoment 50 Nm)
- Display: Shimano E6010, LCD einfarbig
- Akku: 418Wh, 36V (optional 504Wh)
- Reichweite: 120 km (Herstellerangabe)
- Nabenschaltung: Shimano Nexus 8-Gang (optional: Alfine 11-Gang, beide auch mit elektronischer Di2 Variante)
- Bremsen: Shimano, hydr. Scheibenbremsen M315
- Federgabel: Suntour SF14NEX
- Reifen: Schwalbe Marathon
- Beleuchtung: B&M Avy N 40 Lux
- Zertifizierungen/Prüfsiegel: geprüft nach allen EN Vorgaben inklusive Pedelec Zulassung bei der efbe Prüftechnik Waltrop
Fazit
Wer ein richtig gutes Touren e-Bike fahren möchte, der kann eines aus Bambus kaufen, das steht für uns nach diesem my Boo Test fest. Mit dem my Volta erhält man ein zuverlässiges, sehr stabiles und gut ausgestattetes e-Bike. Durch die federnden Eigenschaften des Rahmens entsteht ein Fahrkomfort, der begeistert. Nur an die vielen interessiert-verwunderten Blicke muss man sich als Bambus-e-Bike Pionier noch gewöhnen. Zumindest so lange, bis der elektrifizierte Naturstoff allgemeine Verbreitung gefunden hat. Das My Boo ist für 3.999 Euro online und bei 120 Händlern in Deutschland/Schweiz zu haben. Eine kostenlose Probefahrt ist zum Beispiel über den eBikeNews-Probefahrtservice möglich.
Ein trotz des hohen Preises eigentlich attraktives nachhaltiges Angebot für leichte FahrerINNEN (< 75kg), aber für mich 100-kg-Fahrer, der gerne viel Gepäck mitnimmt, aufgrund der geringen Gewichtsobergrenze indiskutabel.