Ein E-Bike aus Karbon vom Lenker bis zur Sattelstütze für unter 2.000 Euro? So war es bei der Markteinführung, doch der Preis des Urban-E-Bike „Urtopia“ hat sich mittlerweile auf 3.299 Euro erhöht. Dafür bietet das Urtopia jedoch auch eine technische Ausstattung, die seinesgleichen sucht. Wir haben das etwas besondere Urban-E-Bike getestet.
Verpackung, Lieferumfang und erster Eindruck vom Urtopia
Da ich mittlerweile schon unzählige E-Bikes und Fahrräder ausgepackt und aufgebaut habe, war ich bei der Lieferung des Urtopia E-Bikes sehr positiv überrascht. Denn der urbane Carbon-Commuter kam in einem Paket, welches sich liegend öffnen lässt. Dadurch kann man das Bike ganz bequem aus der Kiste holen, anstatt es oben herausheben zu müssen. Mit nur 15 Kilogramm ist das beim Urtopia zwar weniger relevant, dennoch ist die Verpackung super gelöst. Auf den ersten Blick sah das Pedelec allerdings ehrlicherweise nicht mega hochwertig aus. Eher wie jedes viele günstige E-Bikes aus Fernost auch.
Doch bei genauerem Hinsehen sind eigentlich alle Parts und relevanten Teile gut verarbeitet. Gut hat mir außerdem gefallen, dass das Bike mit viel Zubehör kommt. Leider habe ich im Anschluss feststellen müssen, dass all das, worüber ich mich gefreut hatte, kostenpflichtige Sonderausstattung ist. Diesen Umstand finde ich etwas schade, denn aus meiner Sicht sollte man es bei dem Preis hinbekommen, wenigstens den passenden Ständer nicht noch mit zusätzlichen 35 Euro zu berechnen.
Wer sich das Rahmendesign genauer anschaut, wird obendrein feststellen, dass es hier für einen Standard-Flaschenhalter schwierig wird. Doch Urtopia hat an dieser Stelle mitgedacht und eine spezielle Aufnahme vorgesehen. Mit einem Adapter ist es also auch hier möglich, einen Flaschenhalter zu montieren. Das ist ziemlich cool, schlägt allerdings mit 39 Euro zusätzlich zu Buche, was ich ebenfalls weniger cool finde.
Spezielles Rahmendesign aus dem Drucker
Beim Blick auf den Rahmen fällt auf, dass hier nicht das klassische Fahrraddesign zum Tragen kommt und ein Teil des Sattelrohrs fehlt. Genauer gesagt gibt es gar kein richtiges Sattelrohr. Diese Ausgestaltung kennen wir bereits von Urwahn oder auch von dem neuen E-Bike von IO eMobility. Der Vorteil daran ist, dass das Bike dadurch etwas flexibler wird, was in der Praxis auch tatsächlich funktioniert. Zwar ist das Urtopia aus meiner Sicht ein reines Roadbike für die Stadt, der Rahmen federt dennoch durch das Design leicht mit.
Wie schon kurz in der Einleitung angerissen, besteht das ganze Bike vom Lenker über den Rahmen und die Gabel bis zur Sattelstütze komplett aus Karbon. Dem leichten Material ist es auch zu verdanken, dass das Urtopia mit nur 15 kg zu den leichtesten E-Bikes auf dem Markt gehört.
Urtopia ist vollgepackt mit Technik
Das Urtopia soll die E-Bike-Welt revolutionieren. Das kommt nicht von mir, sondern von der eigenen Marketingmaschinerie, die seit dem Start ziemlich gut funktioniert. Wir gehen davon aus, dass Urtopia schon früh finanzkräftige Unterstützung gefunden hat. Die Tatsache, dass sogar Tracy McGrady, eine über 2 Meter große NBA-Legende, in einem Video das für sich selbst viel zu kleine Bike krass abfeiert, lässt tief blicken. Wer sich auf dem YouTube-Kanal von Urtopia umschaut, findet darüber hinaus noch viele weitere Spitzensportler, die das hippe Urban-E-Bike bewerben. Doch das ist nur eine Randnotiz, das Vorstellungsvideo zum Release war zugegebenermaßen ziemlich witzig und unterhaltsam.
Darüber hinaus will Urtopia allerdings auch mit Technik und Innovation punkten. Und damit hält das schicke E-Bike tatsächlich nicht hinterm Berg. Eine eSIM mit 4G, Bluetooth und WiFi, Fingerabdrucksensor, Navigationsfunktion und Sprachassistent stand bisher vielleicht auf dem Datenblatt vom neuen iPhone, nicht jedoch unter den Features von einem E-Bike.
Das Urtopia hat all das am Start und kommt zusätzlich mit einem LED-Matrix-Display am Lenker samt integriertem Licht vorne und einer Blink- und Radareinrichtung mit Rücklicht an der Sattelstütze. Da die Beleuchtung, und/oder die Steuerung beziehungsweise das Matrix-Display am Lenker Wärme entwickelt, wurde unter der Frontleuchte ein kleiner Lüfter eingebaut. Dieser ist nur an sehr ruhigen Orten ganz leise wahrnehmbar. Wie die ganze Technik in der Praxis funktioniert, haben wir ebenfalls ausführlich getestet.
Antrieb und sonstige Ausstattung
Das Urtopia E-Bike ist außerdem mit einem 35 Nm Heckantrieb von Mivice, hydraulischen Scheibenbremsen und einem Gates Karbonriemenantrieb ausgestattet. Der herausnehmbare Akku hat eine Kapazität von 360 Wh und soll laut Hersteller zwischen 40 – 100 km Reichweite ermöglichen. Die hydraulischen Scheibenbremsen, die übrigens mit „Urtopia“ gebrandet sind, packen kräftig zu und sorgen für eine solide und schnelle Verzögerung.
Gerade weil das E-Bike rein auf den urbanen Einsatz getrimmt ist, lässt sich hervorheben, dass der Akku entnehmbar ist. Dies ist bei vielen anderen E-Bikes dieser Sparte nicht so. Allerdings ist mir beim Test aufgefallen, dass das Urtopia nach längerer Standzeit von einigen Tagen deutlich an Akkukapazität verliert. Woran das genau liegt, kann ich nicht sagen. Falls dies bei allen Modellen der Fall ist, kann das für Gelegenheitsfahrer ziemlich ärgerlich sein. Edit: Nach Rücksprache mit Urtopia dazu, liegt es am GPS und dem eSIM Modul. In Zukunft soll mit einem Switch verhindert werden, dass das Modul den Akku belastet. Um das Problem zu vermeiden, könnte man den Akku rausnehmen.
Urtopia E-Bike im Praxistest
Bevor das Urtopia durchstarten kann, will es aber zunächst eingerichtet werden. Dazu braucht es die Urtopia App. Bei mir klappte die Einrichtung reibungslos per Bluetooth. Durch den QR-Code konnte ich das E-Bike allerdings nicht identifizieren. Im ersten Moment war ich dann doch ziemlich überrascht, dass das Urtopia anfängt zu sprechen und mir mitteilt, dass die Verbindung erfolgreich „connected“ ist.
„Ride is a Game“: Die smarten Features
Das Urtopia kommt mit viel technischer Ausstattung, die ich in den nächsten Abschnitten vorstelle, teste und bewerte. Die Urtopia App ist auf einem iPhone 11 installiert.
Fingerabdrucksensor
Der Fingerabdrucksensor funktioniert bei mir leider überhaupt nicht gut. Zwar klappt die Einrichtung problemlos, das E-Bike kann ich allerdings schätzungsweise nur in 30 % der Fälle per Fingerabdruck entsperren. Bei den anderen Versuchen erkennt mich der Sensor schlicht nicht. Das nervt extrem. Zudem gibt das Urtopia bei jedem Fehlversuch einen „Failed“ Ton von sich, der mein Erregungslevel stark belastet. Schockierend ist hingegen, dass ein Kumpel das Bike mit seinem Daumen entsperren konnte.
In den ersten App-Versionen (ich teste das Urtopia bereits einige Wochen), war die Bluetooth-Verbindung außerdem nicht auf Dauer stabil. In der aktuellen Version wurde das allerdings besser, jedoch manchmal immer noch hakelig.
Navigationsfunktion
Mit dem Update kam auch die Navigationsfunktion dazu, auf die ich mich tatsächlich gefreut hatte. Bedauerlicherweise muss ich auch hier sagen, dass mich die Funktion eher enttäuscht als begeistert hat. So richtig gut funktioniert nämlich auch das nicht. Grundsätzlich ist es cool gedacht: Über die App kannst du dein Ziel auswählen und die Route berechnen, die dann mit Richtungsanzeigen auf das Display des Bikes übertragen wird. Allerdings auch nur in Miles und Feet, was für den deutschen Markt irgendwie nicht so sinnvoll ist. Eine Möglichkeit, um das auf die hierzulande üblichen Einheiten umzustellen, hab ich nicht gefunden. Und falls es die Möglichkeit doch gibt, ist das für mich nicht intuitiv genug.
Um das jedoch etwas zu relativieren: Die Navigation funktioniert grundsätzlich schon. Irgendwie kommt man auch am Ziel an. Doch das Rerouting, falls man sich verfährt, funktioniert nicht gut, beziehungsweise extrem langsam. Das ist derzeit schlicht nicht sehr praxistauglich. Auch gibt es beispielsweise keine „Ziel erreicht“ Ansage. Falls du also zu einem dir unbekannten Ziel fahren möchtest, wirst du wahrscheinlich daran vorbeifahren. Auch Kreisverkehre oder ähnlich komplizierte Kreuzungen scheint das Urtopia nicht zu kennen.
Sprachbefehle
Das Bike redet nicht nur und macht Geräusche, es kann sogar per Sprache gesteuert werden. Hierzu gibt es einige Befehle, beispielsweise, um das Licht anzuschalten, den Blinker zu setzen oder auch das Unterstützungslevel zu ändern. Die Befehle funktionieren gut. Ich hab es allerdings nur Zuhause ohne Störgeräusche im Straßenverkehr ausprobiert. Ob man diese Funktionen braucht oder nicht, hängt vom persönlichen Geschmack ab. Urtopia stellt hier viele nützliche Anleitungen und Videos rund um die Bedienung des Bikes zur Verfügung.
Blinker, Steuerung, Hupe & Sonstiges
Das Urtopia hat zusätzlich auch eine Richtungsanzeige an der Sattelstütze. Diese, und viele andere Funktionen werden über eine Remote Einheit am linken Lenkergriff gesteuert. Das Steuerkreuz mit 4 Tasten ist aus einem Guss mit dem Karbonlenker ausgeführt und schaut ziemlich cool und wertig aus.
Die Blinker werden über die beiden horizontal angeordneten Tasten für rechts und links angesteuert. Daraufhin gibt das Urtopia E-Bike ein Tonfeedback und projiziert Richtungspfeile auf den Asphalt. Die sind nur im Dunkeln sichtbar, können allerdings durchaus zur Sicherheit beitragen. Aufgrund der gesetzlichen Lage, nach der Blinker am Pedelec eigentlich nicht vorgesehen sind, befindet sich die Anlage wohl irgendwie im Graubereich. In dem Projektor ist zusätzlich auch ein Radar untergebracht. Das soll vor Fahrzeugen warnen, die sich hinter dir befinden. Diese Funktion hab ich nicht wirklich getestet, da für mich ein Schulterblick immer und in jeder Situation essenziell ist.
Auch eine Alarmfunktion ist am Urtopia verbaut. Die Ortung per GPS über die eSIM funktioniert super. Hier kannst du über die App immer den genauen Standort deines Bikes verfolgen.
Generell arbeitet das Urtopia bei allen Features mit Tonfeedback und Vibration. Auch beim Wechseln der Unterstützungsstufe macht sich das E-Bike durch einen Ton bemerkbar, der bei jeder Stufe anders ist. Die Klingel, oder besser gesagt Hupe, lässt sich ebenfalls mit einem Ton belegen. Hier stehen wahlweise sogar Hundegebell oder Pferdewiehern zur Wahl. Irgendwie ist das ein nettes Feature und auf Ausflügen auch durchaus witzig, richtig alltagstauglich ist es allerdings weniger. Denn es gibt zwar auch einen einstellbaren Klingelton, doch am Ende funktioniert die Klingel elektronisch über einen Lautsprecher, was ich im lauten Straßenverkehr für suboptimal halte.
Fahrgefühl beim Urtopia
Der Heckantrieb kommt von Mivice und hat mir schon beim Test des Tenways CGO600 extrem gut gefallen. Auch beim Urtopia macht der kleine und unscheinbare Heckantrieb einen erwartungsgemäß sehr guten Job. Zusammen mit dem verbauten Drehmomentsensor macht der Antrieb unheimlich Spaß. Es gibt drei verschiedene Unterstützungsstufen, die untereinander gut abgestimmt sind. Zusätzlich steht ein Turbomodus zur Verfügung.
Der Riemenantrieb macht das Fahren zudem sehr angenehm und leise. Außerdem bleibt auch die lange Hose sauber. Was mir in diesem Zusammenhang allerdings nicht gefällt, ist die Übersetzung. Die müsste aus meiner Sicht im oberen Geschwindigkeitsbereich einfach länger sein. Die gewählte Übersetzung führt nämlich dazu, dass die Trittfrequenz ab 22 km/h schon viel zu hoch ist. Besonders bei langen Strecken ist das nervig. Im Stadtverkehr ist es dagegen eher zu verschmerzen und man kommt auch an der Ampel schnell von der Stelle.
Größe und Geometrie
Getestet hab ich das Urtopia in der Größe M, die bis zu einer Körpergröße von 1,85 m geeignet sein soll. Ich selbst bin 1,80 m und muss sagen, dass mir das Bike in dieser Größe zu klein ist. Der Sattel ist bezüglich der Höhe am absoluten Anschlag, weshalb ich für meine Beinstellung keine angemessene Sitzposition erreichen kann. Der Abstand zum Lenker passt dagegen eigentlich gut.
Die Ausgestaltung des Rahmens halte ich daher in letzter Konsequenz für nicht ganz perfekt gelöst. Dadurch, dass die Sattelstütze weit ausgezogen ist, knackt die Befestigung am Eingang zum „Sitzrohr“ auch ab und an. Zwar hält alles und der Umstand ist sicher nicht gefährlich, doch gerade auf dem Feldweg fällt es schon negativ auf. Wahrscheinlich ist das Geräusch auch etwas dem Material geschuldet.
Die Einschätzung betrifft allerdings mein rein persönliches Empfinden bei meiner Größe und dem Rahmen in Größe M. Für Fahrer über 1,80 m würde ich eher die Größe L empfehlen. Das Urtopia ist in beiden Größen in drei verschiedenen Designs verfügbar.
Fazit
Das Bike, das all deine Probleme löst, ist das Urtopia für mich leider (noch) nicht. Dafür wirkt das ganze Konzept auf mich an einigen Stellen zu sehr wie Spielerei statt echtem Benefit. Zudem sind viele Funktionen noch nicht richtig ausgereift, was mir dann bei dem Preis einfach zu wenig ist. Das ist vielleicht Jammern auf hohem Niveau, das Bike kostet allerdings auch 3.299 Euro. Bei dem günstigen Markteinführungspreis konnte man hier noch Vieles verzeihen, bei über 3.000 Euro jedoch nicht mehr. Erhältlich ist das smarte E-Bike aktuell beispielsweise bei Otto, aber auch bei Amazon und natürlich im eigenen Onlineshop.
Wer ein leichtes, durchaus durchdachtes und extravagantes E-Bike mit vielen smarten Funktionen sucht, wird am Urtopia sicher seinen Spaß haben. Gerade die integrativen Komponenten wie das Display, die Steuerungseinheiten und auch die integrierte Beleuchtung machen einiges her.
An dieser letzten Stelle sei deshalb noch einmal betont, dass ich in diesem Testbericht meine rein subjektiven Erfahrungen wiedergebe. Meine Einschätzung hat sicherlich auch mit meiner Einstellung oder meinem Charakter zu tun. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass viele Fahrer davon begeistert sind, das Licht per Sprachbefehl anzuschalten, da es möglicherweise zuhause im Wohnzimmer genauso funktioniert. Ich bin nur einfach eher der Schaltertyp. Für Technik, die mein Leben einfacher statt komplizierter macht, bin ich allerdings überaus begeisterungsfähig.
Guten Tag liebe ebike news,
bei den Testberichten vermisse ich einen echten Gewichtstest zur Überprüfung der Firmenangaben.
Ich habe ein New Urtopia Carbon 1S in Größe M gekauft und gestern nach ersten Skepsisgefühlen
in Sachen Gewicht beim mZusammenbau einmal vermessen und es bestätigte sich mein Gefühl :
Mit dem Nettogewicht 18,38 kp und 20,5 kp incl. Fahrradständer, Gepäckträger und Schutzblechen !!!
war es nicht das angepriesene Leichtgewicht von 15 kp. !!! In diversen Testberichten fand ich bislang
kaum/keine Gewichtsprüfung was dann zu solchen schlechten, überflüssigen Erfahrungen führen kann.
Schade.
Viele Grüße
Uli
Hallo liebe Bike-News,
mit Erstaunen musste ich gerade feststellen, dass ihr eure E-Bike Test immer ohne das Tragen eines Helms durchführt???
Wäre es nicht besser, ein Vorbild für alle Biker zu sein?
Bitte einfach mal darüber nachdenken.
Viele Grüße
Frank